Frisches Grün
Klagen können sie derzeit nicht, die Grünen. Sie stehen in Umfragen erfolgreich da, sie haben mit ihrer neuen Parteispitze den Generationswechsel geschafft, und sie diskutieren, statt zu streiten. Das ist nicht schlecht für eine Partei, die schon seit 13 Jahren im Bund in der Opposition ist und eigentlich wieder regieren wollte. Doch sie haben das Scheitern von Jamaika sportlich weggesteckt, sie schauen nach vorn und es gibt wenig Zweifel, dass sie in Zukunft auch für ein schwarz-grünes Bündnis zur Verfügung stehen.
Seit der Bundestagswahl, seit Deutschland ein halbes Jahr auf eine neue Regierung warten musste, seit alte Mehrheiten nicht mehr selbstverständlich sind und neue Rechte in den Bundestag einzogen, seit es wenig Hoffnung für linke Regierungsbündnisse gibt, stellen sich strategische Fragen neu. Um Strategien zu entwickeln, muss man sich des eigenen Standorts sicher sein.
Es zeichnet die Grünen aus, dass sie immer schon diskussionsfreudig und auch streitlustig waren. Zum Glück liegt dies jetzt im Trend. Endlich wird wieder politisch diskutiert. Ob Jugendliche sich für europafreundliche Bewegungen wie Pulse of Europe engagieren, ob Jusos gegen eine Große Koalition Front machen oder christdemokratische Jugendliche mehr Werte leben wollen, es wird wieder mehr diskutiert. Man kann von einer Rückkehr des politischen Bewusstseins reden. Kein Wunder, dass jetzt alle Parteien ihre Grundsatzprogramme erneuern.
Auch die Grünen müssen überlegen, wofür sie in der Zukunft stehen, wenn Ökologie längst für alle zum Thema geworden ist. Die Grünen wollen sich unbequeme Debatten zumuten. Zum Beispiel die Frage, ob Gentechnik wirklich verzichtbar ist. Es zeichnet die Grünen positiv aus, dass sie hohe Ansprüche haben, und negativ, dass sie sie mit manchmal unrealistischen Ansätzen verfolgen. Doch die Zeiten von berühmten Beschlüssen, wie jenem vor 20 Jahren nach fünf Mark pro Liter Benzin, scheinen vorbei zu sein. Die Grünen sind – nicht erst mit Winfried Kretschmann – bürgerlicher geworden. Ist es da wirklich so schlimm, dass sie trotz allem die Welt verbessern wollen?