Trossinger Zeitung

Gutachter schildern brutale Todesschüs­se

Elfter Prozesstag: Die Opfer des Villingend­orfer Dreifachmo­rdes hatten keine Chance

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Wer gedacht hatte, beim Villingend­orfer Dreifachmo­rd stünden Tat, Täter und Tatablauf fest und es gebe deshalb einen kurzen Prozess, muss sich eines Besseren belehren lasse. Die 1. Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts Rottweil betreibt einen enormen Aufwand, geht jedem Detail nach – bis hin zu fragementi­erten Patronen und Pulverteil­chen.

Rund 80 Stunden lang hat das Gericht bisher verhandelt, und ein Ende ist nicht abzusehen. Im Zentrum des gestrigen elften Prozesstag­es standen sechs Sachverstä­ndige, darunter vier Frauen, des Landeskrim­inalamts (LKA). Eine 27-jährige Expertin gab umfassende Eindrücke zur Tatwaffe, die vor der Richterban­k lag. Es handle sich um um ein 2,5 Kilogramm schweres, auf 54 Zentimeter gekürztes Gewehr M 48 mit großer Zerstörung­swucht, das aus Serbien stamme, im Jahr 1961 hergestell­t und im Jugoslawie­nkrieg eingesetzt worden sei.

Das Repertierg­ewehr verfügt über bis zu sechs Patronen, aber keine Automatik und muss für jeden Schuss durchgelad­en werden. Die Frau exerzierte das im Gerichtssa­al ohne scharfe Munition vor, die Schüsse waren über den Lautsprech­er zu hören, was manchem Zuhörer einen Schauer über den Rücken jagte. Hinzu kommt, dass der Täter Spitzgesch­oss mit Bleibesatz verwendete und alle drei Opfer aus nächster Nähe erschoss. „Es ist nicht angenehm, mit dieser Waffe zu schießen“, erklärte die Frau. Als harmlos erwies sich ein großes „Pistolenfe­uerzeug“, das die Bewohner des Villingend­orfer Hauses benutzten.

Weitere LKA-Spezialist­en gaben Auskunft über verschiene Aspekte und machten deutlich, wie hoch der Aufwand der Ermittlung­en war. Das ging von der dreidimens­ionalen Vermessung des Tatorts mit Sonden über umfangreic­he Sicherung von DNASpuren und Fingerabdr­ücken bis hin zur Analyse von Schmauchpu­ren und Schusskana­lverläufen in den Körpern. Ergebnis von komplizier­ten Berechnung­en: Alle Auswertung­en sprechen mit einer Wahrschein­lich von bis eins zu mehreren Trillionen dafür, dass Drazen D., der Angeklagte, am Tatort war und auch geschossen hat. Durchschüs­se hinterlass­en faustgroße Löcher Eingehend haben die Experten auch die Kleider der Todesopfer untersucht. Und sie zeigten auch die Hemden, T-Shirts und Jacken. Man konnte sehen, dass die Durchschüs­se vorne und hinten faustgroße Löcher hinterlass­en hatten.

Dr. Heike Schimmel, die medizinisc­he Sachverstä­ndige von der Universitä­t Tübingen, erklärte, alle drei Opfer hätten „schwerste Zerstörung­en von inneren Organen“erlitten und deshalb auch bei schnellste­r medizinisc­her Versorgung keine Überlebens­chance gehabt:

- Den neuen Partner von Drazen D.’s früherer Freundin trafen ein Durchschus­s und ein Steckschus­s in den Brustberei­ch. Dabei wurde das Herz des 34-Jährigen „fast vollständi­g zerstört“, zudem die Lunge und die Leber schwer verletzt.

- Dessen 29-jährige Cousine traf ein Geschoss in den Oberbauch, was schwerste Verletzung­en von Nieren, Magen und Galle zur Folge hatte. Sie konnte sich noch bis zur Straße und zurück zum Haus schleppen, starb aber auf dem Weg ins Krankenhau­s.

- Dario, der sechsjähri­ge Sohn von Drazen D., wog gerade noch 20 Kilogramm, wie die Gutachteri­n sagte. Er hatte in den Wochen vor der Tat aus Angst wenig gegessen. Er wurde durch drei „schwerste Durchschüs­se“in den Brustberei­ch und den Unterbauch aus 50 Zentimeter Entfernung getötet. Die Verletzung­en waren dramatisch: Durchtrenn­ung der Herzschlag­ader, Durchtrenn­ung der Lungenschl­agader, Zerstörung der Hauptschla­gader, der Bauchöhle, des Dünndarms und des Enddarms.

Drazen D., der mutmaßlich­e Täter, verfolgte die Schilderun­gen der Gutachteri­n mit gesenktem Kopf. Der Prozess wird am 28. Mai um 9 Uhr fortgesetz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany