Merkel antwortet Macron
Deutsche Regierungschefin geht erstmals auf Reformvorschläge des französischen Präsidenten zur Eurozone ein
BRÜSSEL - Drei Wochen nach Emmanuel Macrons ungeduldiger Rede zum Aachener Karlspreis hat Angela Merkel geantwortet. In einem zweiseitigen Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“(FAS) ließ sie sich ein paar Sätze dazu entlocken, wie eine Reform der Eurozone aussehen könnte. Sehr viel Klarheit allerdings dürfte das dem Präsidenten im Elysée, der die Eurozone mit gemeinsamem Budget und eigenem Finanzminister zu einem Kerneuropa machen will, nicht gebracht haben.
Vergangenen Donnerstag erst hatte die EU-Kommission ihren Beitrag zur Reformdebatte vorgelegt. Ihre Vorschläge sind deutlich zurückhaltender als die Macrons. Neben einem Europäischen Währungsfonds möchte sie als Einstieg in ein Eurozonenbudget 25 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Haushaltsjahre, für die Förderung struktureller Reformen in den Euroländern und den Staaten ausgeben, die den Euro einführen wollen. Diese Beihilfen sollen an strenge Auflagen gebunden sein. Zusätzlich sollen unverschuldet in Schieflage geratene Staaten kurzfristige Kredite von bis zu 30 Milliarden Euro zu sehr günstigen Zinsen erhalten können. Unter Umständen werden die Zinsen ganz aus dem EUBudget übernommen.
Im Gegensatz zu diesen bescheidenen, aber relativ klar ausbuchstabierten Plänen bleibt Merkel im Interview mit der „FAS“sehr wage. Auch sie will den bereits existierenden Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds überführen, der ähnliche Instrumente haben soll wie der Internationale Währungsfonds. Er soll unter strengen Reformauflagen langfristige Kredite an notleidende Länder vergeben. „Daneben kann ich mir zusätzlich die Möglichkeit einer Kreditlinie vorstellen, die kürzere Laufzeiten hat, zum Beispiel fünf Jahre.“ Zwischenstaatliche Darlehen Wie im Kommissionsentwurf vorgeschlagen, sollen die Kredite an Länder gezahlt werden, die „durch äußere Umstände in Schwierigkeiten geraten“seien. „Immer gegen Auflagen natürlich, in begrenzter Höhe und mit vollständiger Rückzahlung.“Nach Merkels Vorstellung soll auch diese zweite Form von Darlehen über den ESM abgewickelt werden und zwischenstaatlich organisiert sein. Die EUKommission stellt sich hingegen ein eigenständiges, von ihr bereitgestelltes Gemeinschaftsinstrument darunter vor. Nach Merkels Vorstellung wäre die Rolle der Kommission wie bisher darauf beschränkt, Defizite in den Mitgliedsstaaten zu benennen und Reformvorschläge zu machen. Diese „länderspezifischen Empfehlungen“werden von den meisten Ländern – darunter auch Deutschland – aber weitgehend ignoriert, da bei Nichtbeachtung keine Sanktionen vorgesehen sind.
Für Emmanuel Macron, der sein Amt mit dem Anspruch angetreten hat, Europa grundlegend zu reformieren, ist die Debatte darüber, wer ein paar zusätzliche Fördermilliarden verwalten soll, mit Sicherheit frustrierend. Als Merkel im Interview ganz direkt gefragt wird, wie sie Macrons Forderung nach mehr wirtschaftlichem Zusammenhalt in der Eurozone erfüllen will, antwortet sie nebulös und zitiert lediglich den Koalitionsvertrag, in dem ein „Investivhaushalt für die Eurozone“ erwähnt wird. Die Frage, ob dieses zusätzliche Budget innerhalb oder außerhalb des normalen EU-Haushalts verwaltet werden soll, lässt sie offen. Das Budget werde „im unteren zweistelligen Milliardenbereich liegen“und „schrittweise“eingeführt werden.
Für einen französischen Präsidenten, der nach seinem Wahlsieg die Europahymne spielen ließ und bei jeder Gelegenheit deutlich macht, dass er Angela Merkel als Verbündete im Ringen um eine grundlegende Reform der EU ansieht, dürften solche Sätze ernüchternd klingen.