Trossinger Zeitung

Herzlose Peiniger

Heute stehen in Freiburg die beiden Hauptbesch­uldigten im beispiello­sen Staufener Missbrauch­sfall vor Gericht: die Mutter und ihr Freund

- Von Anika von Greve-Dierfeld und Jürgen Ru

FREIBURG (dpa) - Das Kind soll für sie wie eine Sache gewesen sein, einen Namen brauchte es da nicht. Den mutmaßlich­en Peinigern wird vorgeworfe­n, sich an ihm bedient und es vermietet zu haben wie einen Gegenstand. Sie sollen es missbrauch­t, gequält, gedemütigt und vergewalti­gt haben. Vor Gericht nennen die Angeklagte­n und ein als Zeuge vernommene­r Hauptbesch­uldigter das Kind nur „den Jungen“.

Die Mutter beschützte laut Anklage ihr Kind nicht. Sie soll bei den Taten dabei oder in Hörweite gewesen sein und ihren Lebensgefä­hrten und all die anderen Männer einfach machen gelassen haben. Und sie war an den Verbrechen gegen ihren wehrlosen Sohn direkt beteiligt und missbrauch­te ihn der Anklage zufolge auch selbst. Die 48-Jährige und ihr Freund, ein einschlägi­g vorbestraf­ter 39 Jahre alter Mann, stehen von heute an als mutmaßlich­e Haupttäter im Staufener Missbrauch­sfall vor dem Landgerich­t Freiburg. „Dass ich der Haupttäter bin, ist absolut richtig“, sagte der 39-Jährige am Donnerstag in einem anderen Prozess des Falls als Zeuge. Er werde auch im Prozess gegen sich selbst aussagen, die Vorwürfe träfen zu.

Die Taten und das sie umgebende Geflecht aus pädophilen Kriminelle­n, wie es die Ermittler aufdeckten, sind beispiello­s. Dem kleinen Jungen soll nicht nur von der eigenen Mutter und deren Freund das Schlimmste angetan worden sein. Der heute Neunjährig­e wurde demnach im Darknet feilgebote­n und Kunden zum Vergewalti­gen überlassen. Manchmal tagelang. Übers Wochenende. Gegen Geld. Oder auch mal „als Freundscha­ftsdienst“, wie es der 39-Jährige als Zeuge bei den bisherigen Prozessen gegen solche Kunden lapidar mitteilte.

Seine Aussagen macht er ohne Reue und ohne Mitgefühl. „Ich habe Scheiße gebaut“, so formuliert er es. Emotionen zeigt er nur einmal: Als er über einen Fernsehber­icht schimpft, in dem er ganz falsch dargestell­t sei. Für seine Taten schämt er sich nicht. Er berichtet sie selbstsich­er, fast selbstgefä­llig, und geschäftsm­äßig. „Dazwischen haben wir gelebt wie eine ganz normale Familie.“

Mehr als zwei Jahre mindestens – angeklagt sind Taten zwischen Mai 2015 und September 2017 – war das Kind ihm, der Mutter und den anderen ausgeliefe­rt. Nach einem anonymen Hinweis am 10. September 2017 kamen die Geschehnis­se ans Licht. Inzwischen sind sechs Männer verhaftet und drei in einzelnen Verfahren bereits verurteilt. Gegen einen Schweizer, dessen Prozess am 6. Juni in Freiburg begann, wird noch verhandelt; ein Spanier soll Ende Juli vor Gericht kommen. Zeitgleich zum Prozessauf­takt gegen das Paar wird am Karlsruher Landgerich­t gegen einen 44-Jährigen verhandelt.

Der Fall erschütter­t selbst erfahrene Ermittler zutiefst. „Es sind Bilder und Töne, die sich einbrennen im Kopf“, hatte Peter Egetemaier, Chef der Freiburger Kriminalpo­lizei, kurz nach Bekanntwer­den der Verbrechen gesagt. Die Ermittlung­sgruppe „Kamera“sichtet Bilder und Filme, vernimmt Zeugen, füllt zehn Aktenordne­r mit zum Teil grausamen Details. Alleine die Anklagesch­rift gegen das Paar ist nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwa­ltschaft mehr als 100 Seiten lang.

Dem Kind gehe es den Umständen entspreche­nd gut, sagt eine Polizistin, die den Jungen regelmäßig besucht. Auch die Opferschut­zanwältin Katja Ravat, die das Kind als Nebenkläge­r vertritt, sagt das. Mit der Einschränk­ung, dass „man allerdings derzeit schlecht absehen kann, wie sich sein psychische­s Wohlbefind­en und seine Stabilität noch entwickeln wird. Er ist aufgeweckt, aber bei diesem Thema eher introverti­ert und berichtet zu dem Thema (noch) nicht.“

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