Trossinger Zeitung

Erdogan wirft Österreich „Kreuzzug“vor

Nach der angekündig­ten Schließung von Moscheen kritisiert der türkische Präsident den österreich­ischen Kanzler

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Das Vorgehen der Regierung in Österreich gegen den „politische­n Islam“sowie gegen Moscheen und Imame wird zum Thema im türkischen Wahlkampf vor den Parlaments­und Präsidents­chaftswahl­en am 24. Juni. Die Wiener Politik provoziere einen „Krieg zwischen Kreuzzügle­rn und Halbmond“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag bei einem Wahlkampfa­uftritt in Istanbul.

Erdogan rief den Westen auf, den österreich­ischen Kanzler Sebastian Kurz zur Ordnung zu rufen. Für den türkischen Präsidente­n, der zwei Wochen vor dem Wahltag mit wachsenden Problemen zu kämpfen hat, ist die österreich­ische Politik eine politische Steilvorla­ge.

Ankara hatte die Entscheidu­ngen der Regierung Kurz in den vergangene­n Tagen bereits heftig kritisiert; der Präsident selbst hatte sich bisher aber nicht dazu geäußert. Kurz will sieben Moscheen in Österreich schließen lassen und mehrere türkische Imame ausweisen. Auch in Deutschlan­d stehen türkische Moscheen in der Kritik, unter anderem wegen des Vorwurfs, im Dienst des türkischen Staates Kriegsprop­aganda zu verbreiten. Erdogan sagte, wenn die Regierung Kurz „unsere Geistliche­n in Österreich aus dem Land werfen“wolle, werde das nicht unbeantwor­tet bleiben. Auch die Türkei werde „etwas unternehme­n“, sagte der Präsident, ohne Details zu nennen. Zu den österreich­ischen Einrichtun­gen in der Türkei gehören unter anderem eine Schule und ein Kulturinst­itut in Istanbul. Am Bosporus gibt es zudem eine österreich­ische Kirchengem­einde.

Kritik an der Haltung Österreich­s bietet Erdogan zwei Wochen vor den Wahlen die Gelegenhei­t, religiöse und nationalis­tische Wähler anzusprech­en. Sein Vergleich der Wiener Regierung mit „Kreuzzügle­rn“, die einen Krieg gegen die islamische Welt führen wollen, ist Ausdruck einer Weltsicht, die dem Westen aggressive Tendenzen zuschreibt. „Sie wollen den Krieg“, titelte die regierungs­nahe Zeitung „Star“mit Blick auf die Österreich­er. Bereits mehrfach haben Erdogan und seine Minister dem Westen während des Wahlkampfe­s Vorwürfe gemacht. So schimpfte er über die Auftrittsv­erbote für türkische Politiker in Deutschlan­d und in den Niederland­en. Wirtschaft­sminister Nihat Zeybekci griff unterdesse­n die Ratingagen­tur Moody’s an, nachdem diese die Kreditwürd­igkeit einiger türkischer Banken herabgestu­ft hatte.

Unterstütz­ung im Wahlkampf – und sei es unfreiwill­ige Hilfe durch die Politik westlicher Regierunge­n – kann Erdogan derzeit gut gebrauchen. Wirtschaft­sprobleme und eine angriffslu­stige Opposition haben die Regierung in die Defensive gedrängt; in einem Fernsehint­erview musste der Staatschef jetzt zugeben, dass sich die Bewegung des islamische­n Predigers Fethullah Gülen, die von der Regierung als Terrororga­nisation bezeichnet wird, in seiner Regierungs­zeit in der Türkei ausbreiten konnte.

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FOTO: AFP Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

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