Einblick in verschwundene Handwerksberufe
Im Fruchtkasten wird gezeigt, was Strumpfweber und Feilenhauer früher hergestellt haben
TUTTLINGEN - Die Ausstellung „Von Küfern, Hafnern, Kammmachern und anderen verschwundenen Handwerken“im Fruchtkasten gibt Einblicke in alte Handwerksberufe. Da zur Ausstellungseröffnung am Freitagabend Regen eingesetzt hat, wurden die Gäste von Oberbürgermeister Beck und Museumsleiterin Gunda Woll im Foyer des Rathauses begrüßt. Musikalisch umrahmt wurde die Vernissage von Querflötenlehrer Heinz Imrich und seiner ehemaligen Schülerin Lina Böhme-Nordhues.
„Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Handwerk eine tragende Säule der Wirtschaft, auch in einer späteren Industriestadt wie Tuttlingen“, stellte Beck fest. „Damals wurde alles, was die Bevölkerung nicht selbst herstellen konnte, von Handwerkern gefertigt, und zwar meist vor Ort. Zum Stadtbild gehörten Handwerker, die die Bevölkerung mit lebenswichtigen, aber auch luxuriösen Produkten versorgten“, bemerkte er.
Die Geschichte des Handwerks sei wechselvoll gewesen – was auch das berühmte Sprichwort beweise, das vollständig zitiert wie folgt lautet: „Handwerk hat goldenen Boden, sprach der Weber, da schien ihm die Sonne in den leeren Betel.“Das Zitat stammt aus der Zeit der industriellen Revolution. Der Zeit, in der viele Handwerker ihre Existenz verloren, ganze Handwerksbranchen verschwanden. Teils weil sie durch die industrielle Herstellung verdrängt wurden, teils weil ihre Produkte komplett verschwanden.
So auch in Tuttlingen, wie die Ausstellung, die Museumsleiterin Gunda Woll zusammengestellt hat, beweist. Die dargestellten Handwerksberufe wurden nach zwei Kriterien ausgewählt: Sie waren in Tuttlingen präsent und sind weitgehend verschwunden – und es wurden nur Berufe aufgenommen, zu denen es auch Ausstellungsobjekte gab.
Präsentiert wird unter anderem der Strumpfweber, der auf dem Handkulierstuhl, der in Tuttlingen „Rätscher“genannt wurde, Strümpfe webte. Ein solcher Stuhl wurde dem Museum bereits kurz nach seiner Gründung übergeben. Einer der letzten Tuttlinger Strumpfweber war Johann Friedrich Martin. Handwerke waren ineinander verzahnt Oder der Beruf des Feilenhauers, dessen Präzisionsinstrumente in den Trossinger Harmonikawerkstätten, bei den Schwenninger Uhrmachern, aber auch bei den Tuttlinger Instrumentenmachern geschätzt wurden. Karl Wick, der Urahn der Tuttlinger Feilenhauer Familie Wick, kam 1835 aus Ehningen nach Tuttlingen.
Nach dem Tod seines Enkels Wilhelm Wick kam die Werkstatt 1967 ins Tuttlinger Museum. „Viele städtische Handwerke profitierten voneinander. So lieferte der Metzger Abfälle an den Seifensieder, an den Kerzenzieher, oder den Kammmacher. Ein Beispiel, wie eng hiesige Handwerke ineinander verzahnt waren, ist auch an den Berufen Küfer und Bierbrauer abzulesen“, erläuterte Gunda Woll.
Zeitweise gab es 42 Brauereien, die Fässer und Bottiche benötigten, die zwischen vier und zwölf Küferbetriebe herstellten. Eine davon war die Küferei Georg Jakob Stengelin, die 1771 gegründet worden war. Plastikkanister und Metalltanks führten zum Verschwinden der meisten Küfereien – auch in Tuttlingen. „Der vielleicht älteste Beruf der Welt ist der des Hafners“, stellte Woll fest. „In Tuttlingen hat dieser mit der Hafner-, Ofenbauer- und Fliesenlegerfamilie Ruoff eine weit zurückreichende Tradition. Seit 1661 stellten die Ruoffs aus gebranntem Ton Töpfe, Ofenkacheln, Fliesen und zeitweise sogar Ziegel für Dächer her, und bauten Kachelöfen“, so die Museumsleiterin. Die Ausstellung „Von Küfern, Hafnern, Kammmachern und anderen verschwundenen Handwerken“ist bis zum 23. September zu sehen. Die Öffnungszeiten des Fruchtkastens sind: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag, jeweils von 14 bis 17 Uhr.