Rothenbergers Signal an Isabell Werth
Der 23-Jährige gewinnt bei der Deutschen Meisterschaft in Balve beide Dressur-Titel
BALVE (SID/dpa) - Selbst nach einem nahezu perfekten Wochenende ließ sich Sönke Rothenberger nicht zu einer Kampfansage an die Grande Dame der Dressur hinreißen. „Isabell ist momentan die Nummer 1 der Welt“, sagte der 23-Jährige, der bei den deutschen Meisterschaften gerade das Double perfekt gemacht hatte, über die sechsmalige Olympiasiegerin Isabell Werth. Doch auch wenn der stets bescheidene Bad Homburger – vor zwei Jahren in Rio TeamOlympiasieger zusammen mit Werth – keine lauten Töne anschlägt: Im Viereck von Balve sendete er ein deutliches Signal. Der Kronprinz reitet im WM-Jahr zum Angriff auf den Thron der Dressurkönigin.
Am Sonntag dominierte Rothenberger mit starken 88,425 Punkten im Sattel des leichtfüßigen Cosmo die Kür und holte sich klar vor Dorothee Schneider (Framersheim/82,975) mit Sammy Davis jr. und Jessica von Bredow-Werndl (Aubenhausen/82,675) mit Dalera seinen zweiten Sieg binnen zwei Tagen. Seine ärgste Widersacherin war mit ihrer Paradestute Weihegold da zwar schon längst zurück im heimischen Stall. Doch tags zuvor hatte Rothenberger die Titelverteidigerin im Grand Prix Special auf den zweiten Platz verwiesen.
Nicht erst da dürfte Isabell Werth klar geworden sein: Will sie auch bei den Weltreiterspielen in Tryon im US-Bundesstaat North Carolina (11. bis 23. September) Maß aller Dinge im Viereck bleiben, muss sie sich ordentlich strecken. Zur größten Konkurrentin schwingt sich nicht etwa Lokalmatadorin Laura Graves mit ihrem Wallach Verdades auf. Nein, der ärgste Verfolger kommt aus den eigenen Reihen. Gleich zu Beginn verritten Noch vor zehn Monaten bei der EM in Göteborg hatte die 48-Jährige trotz bärenstarker Ritte Rothenbergers die Nase noch zweimal hauchdünn vorn gehabt. Das will der Herausforderer in diesem Jahr ändern, der Special von Balve soll da nur ein Vorgeschmack gewesen sein. „Bis jetzt geht das Jahr gut los“, sagte der Reiter aus Bad Homburg vor der Höhe nach seinem Doppelpack mit einem Schmunzeln.
Sein elfjähriger Wallach Cosmo, ein Niederländisches Warmblut, präsentierte sich im Sauerland jedenfalls schon in Topform. Die Passagen eine Augenweide, die Trabverstärkungen für seinen Reiter „ein Highlight“– und auch von einer groben Unkonzentriertheit Rothenbergers, als dieser sich im Special in einer Lektion irrte und verritt, ließ sich das Pferd nicht aus dem Konzept bringen. „Ich weiß, dass Cosmo eine Qualität hat, die ihresgleichen sucht“, lobte der EM-Zweite. Und gab sich wegen seines Blackouts dennoch selbstkritisch: „Ich wusste nicht, ob es links oder geradeaus geht. So etwas darf natürlich nicht passieren.“
Und doch hielt Rothenberger (83,706 Prozent) Isabell Werth (82,804) mit knappem Vorsprung auf Distanz. Sorgen bereitet dies der Geschlagenen freilich noch kaum. Schon oft genug hat sie bewiesen, dass sie in wichtigen Momenten noch einmal zulegen kann. Nicht umsonst ist sie die erfolgreichste Reiterin der Geschichte. Und sagt nun mit Blick auf die Weltreiterspiele: „Natürlich fehlen noch ein paar Kleinigkeiten. Es wäre aber auch schlimm, wenn nicht.“
Die nächste Chance, die Rheinbergerin auf großer Bühne zu ärgern, bietet sich Sönke Rothenberger beim CHIO in Aachen (13. bis 22. Juli). Anschließend nominiert Bundestrainerin Monica Theodorescu ihr Team für Tryon – und spätestens dort will der Kronprinz den Thron besteigen. Stevens überrascht sich selbst Den nationalen Titel der Springreiter hat in Balve überraschend Mario Stevens gewonnen. Der 35-Jährige aus dem niedersächsischen Molbergen gewann mit Talisman de Mazure. Stevens blieb in insgesamt vier Runden ohne Abwurf und setzte sich mit nur drei Strafpunkten wegen Zeitfehlern durch. Auf Platz zwei kam Guido Klatte aus Lastrup mit Qinghai. „Das ist einfach unglaublich“, sagte Stevens. „Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Dass es so gut läuft, hätte ich nicht gedacht.“
Noch vor sechs Wochen lag Stevens auf der Intensivstation, erst seit vier Wochen reitet er auf Talisman de Mazure, nur sechs Wettkampfrunden insgesamt hat er bisher auf diesem Pferd bestritten – die vier Umläufe am Wochenende im Sauerland schon eingerechnet. Zudem musste sich Stevens erst vor sechs Wochen einer Notoperation wegen eines geplatzten Magengeschwürs unterziehen. Optimale Vorbereitung sieht anders aus.
Auch Bundestrainer Otto Becker hatte mit Mario Stevens nicht unbedingt gerechnet. „Dass er ein erfolgreicher Reiter ist, war vorher schon klar“, sagte der 59-Jährige. „Dass er aber mit einem neuen Pferd hier ganz oben steht, ist schon überraschend.“