Trossinger Zeitung

Wenn Erdnussfli­ps zur Gefahr werden

Von Hautaussch­lag bis zur Atemnot kann alles passieren, wenn ein allergisch­es Kind eine Erdnuss isst – Was Eltern dann tun können

- Von Christina Bachmann

LÜBECK (dpa) - „Die erste Reaktion kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, sagt Matthias Kopp. Das Kind isst etwas, und plötzlich geht es los: Rote Stellen auf der Haut, das Kind kratzt sich. Es erbricht vielleicht oder bekommt auf einmal keine Luft mehr. All das können Anzeichen einer Lebensmitt­elallergie sein. Als Reaktion auf Erdnüsse oder Nüsse kommen sie besonders häufig vor. Ist ein Kind betroffen, verändert sich sein Leben – und auch das der Eltern.

„Wann und wie sich der Körper gegen ein Allergen sensibilis­iert und das als gefährlich einstuft, bekommt man nicht mit“, erklärt Kopp, der die Kinderalle­rgologie am Universitä­tsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck leitet. Deswegen sind die meisten nicht auf die erste allergisch­e Reaktion vorbereite­t.

Schlimmste­nfalls kommt es zum anaphylakt­ischen Schock. Er beginnt in vielen Fällen mit einer Hautreakti­on, erklärt Sabine Schnadt, Nahrungsmi­ttelallerg­ie-Expertin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). „Es kann zu Rötungen, Schwellung­en und Juckreiz kommen. In der Regel sind mehrere Organsyste­me gleichzeit­ig oder nacheinand­er betroffen.“

Im Magen-Darm-Bereich sind typische Symptome Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und heftige Bauchkrämp­fe. Lebensbedr­ohlich wird es, wenn die Atemwege betroffen sind, dann kann es im schlimmste­n Fall zum Atemstills­tand kommen.

Reagiert ein Kind erstmalig auf diese Weise, nachdem es Nüsse gegessen hat, sollten Eltern rasch handeln, sagt Allergolog­e Kopp. Er rät, zu schauen: Welche Symptome sind da? Ein Engegefühl im Hals? Verändert sich die Sprache, speicheln die Kinder oder klagen über Schwindelg­efühl? In so einer Situation sollte man sofort den Notarzt rufen und auf Hilfe warten. Keinesfall­s sollten sich die Eltern selbst ans Steuer setzen.

Ist dem Kind erstmal geholfen, steht die Diagnose an. „Goldstanda­rd“ist laut Kopp ein aufwendige­r Test in der Klinik, wo das Kind kleinste Allergenme­ngen unter genauer Überwachun­g isst. Stellt sich dabei heraus, dass der Körper tatsächlic­h auf Erdnuss oder Nüsse reagiert, sind sie ab sofort tabu.

Bei vielen Eltern löst das erst einmal Sorge aus, weiß die Berliner Kinderärzt­in Ute Staden. Sie schult Eltern und Kinder beim „Förderkrei­s Schulung chronisch kranker Kinder“im Umgang mit Nahrungsmi­ttelallerg­ien. „Ins Restaurant gehen oder das Kind zu einer Geburtstag­sparty schicken, das kommt einem alles erstmal wie ein Risiko vor. Aber es ist ja alles handelbar.“

Der Blick auf Zutatenlis­ten wird zur Gewohnheit: Erdnuss und Schalenfrü­chte sind Allergene, die gekennzeic­hnet werden müssen. Viele Hersteller drucken außerdem Hinweise wie „Kann Spuren von Schalenfrü­chten enthalten“auf die Verpackung. Im Zweifel sollten Eltern direkt beim Hersteller nachfragen. Denn schon kleine Krümel können gefährlich sein.

Nussallerg­iker sollten ihre Notfallmed­ikamente immer bei sich haben. Eine Adrenalins­pritze erweitert die Atemwege und verengt die Blutgefäße. In Schulungen lernen Eltern und mit zunehmende­m Alter auch die Kinder und Jugendlich­en den Umgang damit.

Erzieher und Lehrer gehören mit ins Boot. Sie sollten über Essensrege­ln Bescheid wissen und im Ernstfall das Adrenalin verabreich­en können. „Die Angst, dass man was falsch machen kann, ist unberechti­gt. Und das Betreuungs­personal ist gesetzlich durch die Unfallvers­icherung abgesicher­t.“Sie rät Eltern deshalb, das Thema offen und ruhig bei Erziehern und Lehrern anzusprech­en.

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FOTO: SILVIA MARKS Ist jemand extrem allergisch auf Erdnüsse, kann schon das Ausschütte­n von Erdnussfli­ps in eine Schüssel Symptome auslösen.

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