Und alle feiern mit
Die Schweden pflegen an Mittsommer alte Traditionen
DALARNA (dpa) - Mit Blumenkränzen im weißblonden Haar und wehenden Kleidern, die beim Tanzen um den geschmückten Baum mitschwingen, feiern die Schweden Midsommar. Dafür treffen sich Freunde und Verwandte an einem warmen Sommertag, an dem die Sonne niemals untergeht und die Trinklieder und der Schnaps nicht enden wollen. Das sind zumindest die gängigen Klischees, wie ein ausgelassenes Mittsommerfest abläuft.
Als das Fest in Dalarna am Siljansee beginnt, sind die Wolken dagegen grau – statt Sonnenstrahlen fallen dicke Regentropfen vom Himmel. Kurzerhand schnappen sich zwei Männer jeweils einen großen Sonnenschirm. Darunter versammeln sich mehrere Musiker mit ihren Geigen, Gitarren und einer Ziehharmonika. Dicht gedrängt stehen Jung und Alt nebeneinander. Jeder, der ein Instrument spielen kann, ist willkommen. Gemeinsam stimmen alle fröhliche Volkslieder an.
Von dem miesen Wetter lässt sich in Olsnäs keiner beirren. Der Ort liegt direkt am Siljansee, nicht weit von der Stadt Leksand entfernt, mitten in Schweden in Dalarna. Die Region ist viermal so groß wie Bayern und gilt als besonders traditionell. Von hier kommen das Dala-Holzpferd und die rote Farbe für die Schwedenhäuser. Großes Familienfest Auf dem Gelände der Ferienanlage Olsnäsgården leben in einigen roten Häusern dauerhaft Einheimische. Außerdem gibt es Zelt- und Campingplätze sowie Ferienhäuser, die einige Schweden nur im Sommer bewohnen oder Touristen mieten können. Die Unterkünfte sind an Mittsommer schnell ausgebucht. Auch Kicki Bergkvist hat in Olsnäsgården mit ihrem Mann Johan ein Sommerhaus. Gemeinsam mit ihren Töchtern sowie Freunden und Verwandten feiern sie hier Mittsommer. Für die meisten Schweden ist es ein großes Familienfest, wie Weihnachten. Da kommen Kinder, Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel und Freunde zusammen, um nach langen, dunklen Wintertagen die Rückkehr des Lichts und des Sommers zu begrüßen. Oft läutet Mittsommer auch den Beginn der fünfwöchigen Sommerferien ein. In dieser Zeit sind Städte wie Stockholm oder Göteborg fast menschenleer.
Kicki trägt die typische Tracht von Leksand: eine weiße Bluse, ein geblümtes Tuch, ein besticktes Mieder, einen schwarzen, wadenlangen Rock mit bunter, gestreifter Schürze, weiße Strümpfe und schwarze Lederschuhe mit roten Bommeln daran.
Kennern verrät die Tracht, aus welcher Region jemand kommt. Männer aus der Stadt Mora etwa erkennt man an ihren blauen Strümpfen, Frauen tragen dort rote Strümpfe. Manche Frauen bedecken ihren Hinterkopf mit einer Haube, als Zeichen, dass sie verheiratet sind. Kicki ist zwar verheiratet, trägt aber auf dem Kopf einen Blumenkranz. Den Schmuck hat sie gemeinsam mit anderen Frauen geflochten.
Auf dem Festplatz liegt der Midsommarbaum – die sogenannte Midsommarstång. Drum herum stehen viele Festgäste, die den Holzstamm schmücken. Schließlich lässt auch der Regen nach. Und während die Musiker unter einem Pavillon spielen, schneiden die anderen Margeriten und Butterblumen zurecht und binden sie an die gekreuzten Querstangen, bis der Baum üppig verziert ist. Jeder Ort schmückt seinen Stamm mit eigenen Symbolen und nach eigenen Traditionen. In Olsnäs dominieren die Farben Gelb, Blau und Weiß sowie Herzen aus Birkenzweigen.
Früher feierten die Schweden Mittsommer immer am 24. Juni. Mittlerweile wurde das Fest arbeitgeberfreundlich verlegt. Laut einem Gesetz aus dem Jahr 1953 wird Mittsommer immer an dem Samstag gefeiert, der zwischen dem 20. und dem 26. Juni liegt. In diesem Jahr fällt Mittsommer also auf den 23. Juni.
Wer mitfeiern will, findet in der Region Dalarna viele Gelegenheiten dazu. Denn rund um den Siljansee gibt es jeden Sommer mehr als 100 Midsommarfeste, auch noch Wochen nach dem offiziellen Datum. Warum? Kicki erklärt es so: „Früher halfen sich die Bewohner gegenseitig bei der Ernte. Damit trotzdem keiner das Fest in seinem Heimatort verpassen musste, feierten die Leute einfach mehrfach.“ Bis tief in die Nacht Und dann ist es soweit: Mehrere Männer stehen rechts und links neben dem prächtigen Midsommarbaum. Der Stamm ist wegen seiner Größe schwer zu handhaben. Die Männer benutzen lange, gekreuzte Stangen, mit denen sie den Baum Stück für Stück aufrichten. Dabei müssen sie darauf achten, dass er nicht zur Seite wegkippt. Nach etwa einer Viertelstunde steht der Baum endlich senkrecht. Ein Kraftakt! Am Ende befestigt ihn noch einer der Männer, indem er ihn mit einem Stahlseil und Schrauben an einem großen, aufrechtstehenden Stein fixiert. Die Zuschauer klatschen und versammeln sich mit den Musikern in einem Kreis um den Baum.
Gemeinsam stimmen sie das Kinderlied Små grodorna (Die kleinen Frösche) an. Und schon beginnen alle zu tanzen. Munter hüpfen sie um den Baum, dann fassen sie sich an den Händen, laufen in einer langen Kette hintereinander her. Plötzlich bleiben alle stehen und greifen sich an die eigenen Ohren, dann springen sie in die Luft. Ein buntes Treiben, viel Gelächter. Auch wenn sie von außen kaum erkennbar ist, gibt es eine klare Choreografie. Wer sie nicht kennt, lässt sich einfach mitreißen. Es folgen weitere traditionelle Volkslieder, Spiele, Tanz und Gesang.
An Mittsommer essen die Schweden eingelegten Hering, auch sill genannt. Dazu gibt es junge Kartoffeln, Dill, Sauerrahm, rote Zwiebeln und Bier sowie Schnaps. Manche Familien haben ihre eigenen Traditionen. Sie grillen beispielsweise Elchwurst, Steak oder Rippchen oder servieren gebackenen Lachs. Zum Nachtisch kommen häufig Erdbeeren auf den Tisch – mit Eis, Sahne oder einer Biskuitrolle serviert. Zwischendurch ertönen immer wieder Trinklieder. Der Himmel bleibt zu dieser Jahreszeit noch lange hell, und so feiern viele bis tief in die Nacht hinein.
Früher war Mittsommer eine gute Gelegenheit, andere Heiratswillige zu treffen. Laut einer Legende herrscht in dieser Nacht eine magische Stimmung für Liebende. Die Mädchen müssen auf ihrem Nachhauseweg sieben verschiedene Blumen von sieben verschiedenen Wiesen pflücken und diese unter ihr Kopfkissen legen. Wenn sie dabei ganz still waren, über einen Zaun geklettert sind und am nächsten Tag keinem ihren Traum verraten, dann erscheint ihnen im Schlaf ihr zukünftiger Ehemann.