Markise zu!
Es gibt Fehler, die immer wieder in unserem Blatt auftauchen: Vor ein paar Jahren hieß es im Anzeigenteil: „Marquise zu verkaufen, 3 m breit“– und man stutzte. Einige Zeit später war eine feilgebotene „Marquise“sogar 4 m breit. Und vor knapp zwei Wochen las sich das Inserat noch pikanter: „Gebrauchte Marquise zu verkaufen“. Zur Aufklärung: Die Markise im Sinn von Sonnendach oder Schutzvorhang schreibt man im Deutschen mit
k – allerdings erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Früher war die gängige Form in der Tat Marquise, und mit einer Marquise, also einer noblen Dame, hat dieses französische Wort auch zu tun. In einem Heerlager oder auf Kriegsschiffen wurde über die Zelte der adligen Offiziere zur Unterscheidung vom Fußvolk eine zusätzliche Plane gespannt. Weil viele dieser noblen Herren im Rang eines
Marquis, eines Markgrafs, waren, machten die Soldaten aus dem Überdach eine Marquise. Und diese Form wurde später durch den Wechsel von
qu zu k eingedeutscht. Während dieser Fall klar ist, muss man bei anderen Übernahmen aus dem Französischen seit Kurzem umdenken. Der Rat für deutsche Rechtschreibung passt von Zeit zu Zeit das amtliche Wörterverzeichnis an, und der Duden folgt nach. Nun hat das Gremium 2016 befunden, einige der Variantenschreibungen zu streichen, und zwar gerade bei solchen Wörtern, die wir unseren linksrheinischen Nachbarn verdanken. Waren früher etwa bei Bravour und
Bravur, Collier und Kollier, Mayonnaise und Majonäse, Negligé und Negligee, Roulette und Roulett beide Formen möglich, so ist jetzt jeweils die zweite, eingedeutschte aus dem Regelwerk verschwunden – ein nachvollziehbarer Beschluss. Bei Campagne und Kampagne hält man es aber genau umgekehrt: Da fehlt nun die erste, französische Form Campagne. Zu Kanapee, Entree, Pralinee und Soiree wiederum gesellen sich seit Neuem auch die gleichberechtigten französischen Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf. Varianten Canapé, Entrée,
Praliné und Soirée. Sprachexperten mögen dafür Begründungen finden, normale Schreiber wundern sich. Auch die Marquise von O. hat sich einst gewundert. In seiner gleichnamigen Novelle von 1808 erzählt uns Heinrich von Kleist eine delikate Geschichte, die auch noch mit dem berühmtesten Gedankenstrich der deutschen Literatur aufwartet: Während der napoleonischen Kriege erstürmen russische Soldaten einen Palast in Oberitalien, in dem auch besagte Marquise wohnt. Ein russischer Graf bringt die völlig erschöpfte Dame vor der Soldateska in Sicherheit. Und dann folgt der Satz: „Hier – traf er, da bald darauf ihre erschrockenen Frauen erschienen, Anstalten, einen Arzt zu rufen; versicherte, indem er sich den Hut aufsetzte, dass sie sich bald erholen würde; und kehrte in den Kampf zurück.“Dezenter kann man nicht andeuten, dass der edle Retter quasi en passant die ohnmächtige Marquise geschwängert hatte. Um es in Abwandlung eines BrechtZitats zu sagen: Markise zu – und keine Fragen offen.