Zwei Könige, eine Mannschaft
Die Ulmer Zehnkämpfer Arthur Abele und Mathias Brugger peilen bei der EM in Berlin Rekorde an
ULM - Christopher Hallmann darf nicht nur stolz auf sich sein, er ist es auch. Bestes Zehnkampfteam der Welt nennen sie seine Ulmer Trainingsgruppe in der Branche inzwischen und ihn, den 35-jährigen, einen heimlichen Bundestrainer. Um den Stolz statistisch zu unterfüttern, malte Hallmann am Donnerstag, als der SSV seine vier EM-Teilnehmer präsentierte, 17 Striche an eine Tafel, als zähle er die Tage bis zum endgültigen Durchbruch seiner Gruppe. „Diese Striche stehen für unsere 17 internationalen Starts, seit ich hier bin“, sagte der Erfolgsmacher. Vier Athleten haben sie errungen, und die zwei Besten, Arthur Abele und Mathias Brugger, fliegen nun zur EM nach Berlin, wo sie am 7. und 8. August ihre größten Erfolge für sich und ihren Club einfahren wollen: Medaillen womöglich, in jedem Fall aber persönliche Bestleistungen.
Arthur Abele spricht offen von den Top 3, alles andere würde auch wenig Sinn machen, schließlich zeigte er mit seinen 8605 Zählern – erzielt 2016 bei strömendem Regen in Ratingen –, über welch Potenzial und Reserven er verfügt. Mit seinen 8481 Zählern von Ratingen 2018 ist Abele derzeit Nummer 2 in Europa hinter dem Esten Maicel Uibo (8514). Großer Goldfavorit ist dennoch ein anderer. Der Weltmeister und Olympiazweite Kevin Mayer (26) aus Frankreich, ein 8800-PunkteMann, gilt längst als Überathlet der Szene. „Wenn er durchkommt, ist Gold vergeben. Wenn man sieht, was er noch für andere Sportarten betreibt, wenn man ihn im Wettkampf beobachtet, dann muss man sagen: Er ist einfach ein Wahnsinnsbewegungstalent“, sagt der seit heute 32-Jährige. „Es gibt überall noch Potenzial“In Ratingen hatte Abele seinen ersten Zehnkampf beendet seit Rio 2016, wo er als Olympia-15. weit hinter seinen Möglichkeiten geblieben war. In der Zwischenzeit war er wieder mal monatelang verletzt gewesen, wenn auch nicht so schlimm wie in den Jahren zuvor, als er ungefähr alle Krankheiten und Verletzungen, die in einem Pschyrembel so vorkommen, am eigenen Leib durchexerzierte.
In Berlin will Abele, vielleicht der Kämpfer, der Nicht-Aufgeber im deutschen Sport überhaupt, seine in ihren Extremen fast aberwitzige Karriere endlich krönen. „Klar will ich eine Medaille – wenn ich meine Bestleistung schaffe, sollte das auch gelingen. Wenn ich dann trotzdem nur Vierter werden würde, wäre das in Ordnung, dann wären die anderen eben noch besser.“Wer gesehen hat, wie der Applaus heimischer Fans Arthur Abele in der Vergangenheit beflügelt, ja fast abheben lassen hat, traut ihm vieles zu. Vor allem über 400 Meter habe er sich im Vergleich zu 2016 verbessert, sagt Abele, „es gibt überall noch Potenzial“. Am meisten aber verdanke er Hallmann und der Ulmer Trainingsgruppe, in der alle sich gegenseitig pushen würden. „Die Jungen machen ganz schön Druck und treiben an, das hilft mir sehr und motiviert mich, dagegenzuhalten. In Ratingen ist Mathias Brugger plötzlich mit der Kugel explodiert, da dachte ich auch, hoppla. Da gerätst du mal kurz ins Nachdenken.“ „Wir werden als Team auftreten“Für Brugger, den Angesprochenen, war Abele in der Vergangenheit einer, an dem sich der Junior orientieren, aufrichten konnte. Sich nicht unterkriegen lassen, das lernen die Könige der Athleten ja ohnehin im täglichen Tun, ein Zehnkampf ist ja beste Lebensschule. Nirgendwo gewinnt und verliert man in zwei Tagen so oft wie in diesem Mix zehn verschiedener Sportarten. Brugger, der Hallen-WMDritte von 2016, sorgte für Aufsehen in der Szene, als er in Götzis einen Stabbruch wegsteckte, trotzdem 5,00 Meter sprang, danach im Speerwurf zwar sechs Meter einbüßte, aber dennoch 8304 Zähler schaffte. Zwei annähernd perfekte Tage in Berlin, und auch der gebürtige Illertissener, der am Tag vor dem Auftakt 26 Jahre jung wird und derzeit die Nummer 7 in Europa ist, könnte am Ende eine Medaille holen, weil: „Alle müssen ja erst mal durchkommen. Man hat in der Vergangenheit immer wieder gesehen, dass alle mal Probleme bekommen können.“Auch Mayer, fügt Abele an, habe im Stabhochsprung schon gewackelt. Einen Salto Nullo aber legte er zuletzt als Junior hin.
Wie auch immer: Die Ulmer (der Torgauer WM-Dritte Kai Kazmirek rechnet sich ebenfalls Großes aus) haben beste Chancen, in Berlin den Höhepunkt ihrer Karriere zu erleben. „Wir werden als Team auftreten, wir frotzeln schon darüber, wer wem wie helfen könnte im 1500-Meter-Lauf“, sagen die beiden. Auch ihr Trainer will spannende deutsche Fernsehtage nicht ausschließen: „Als Paul Meier 1993 in Stuttgart WM-Dritter wurde, hat man sogar die Tagesschau verschoben“, sagt Christopher Hallmann. Das Ziel sei aber ein anderes: „Wir machen unseren Sport nicht, um in der Öffentlichkeit zu stehen, sondern um mit Leistung zu überzeugen.“