Weder originell noch erfolgversprechend
Zum Artikel „Gesetz soll Arztbesuche einfacher machen“(24.7.): Die Pläne unseres Gesundheitsministers sind weder originell noch erfolgversprechend. Mit einer Erhöhung der Sprechzeiten auf 25 Stunden ist nichts gewonnen, denn die Vertragsärzte in BadenWürttemberg arbeiten bereits heute 52 Stunden in der Woche.
Offene Sprechstunden werden heute von den Hausärzten ohnehin angeboten, denn Notfälle und akute Erkrankungen werden immer taggleich behandelt. Das ist in den Hausarztverträgen mit den Krankenkassen auch so festgeschrieben. Ob mehr Honorar für Akutbehandlungen sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln, denn die Realisierung wird eine immense Bürokratie und Prüferitis nach sich ziehen.
Patientenbusse, mobile Praxen und digitale Sprechstunden können im Einzelfall hilfreich sein, lösen aber das Problem nicht. Wir brauchen einfach mehr Hausärztinnen und Hausärzte. Die heutigen Hausärzte, die zu einem hohen Anteil 60 Jahre und älter sind, können durch verpflichtende Mehrarbeit das Problem, das jahrzehntelang von der Politik verschlafen wurde, nicht lösen.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung kann sich keine Ärzte aus den Rippen schneiden. Es gilt, den Hausarztberuf attraktiver zu machen, bundesweit die Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung als Regelversorgung verpflichtend zu machen (die sind nämlich ohne Budgets), Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen Universitäten zu schaffen, um die Studierenden für diesen schönen Beruf zu gewinnen. Dr. Frank-Dieter Braun, Biberach
Populismus löst keine Probleme Zum selben Thema: Es ist bestens bekannt, worüber Patienten in den Hausarztpraxen klagen: zu lange Wartezeit im Wartezimmer (nicht auf einen Praxistermin!) und zu wenig Zeit beim persönlichen Arztkontakt – beides wird sich durch immer noch mehr Patientendurchlauf in den Praxen kaum bessern!
Wenn sich die ärztliche Versorgung einer immer älter werdenden, oft unter chronischen und komplexen Krankheitsbildern leidenden Bevölkerung bessern soll, müssen endlich mutig und mit Blick auf die Gesundheitssysteme anderer Länder die Probleme an der Wurzel gepackt werden: Zulassung derjenigen Studentinnen und Studenten zum Medizinstudium, die den Beruf auch ausüben werden unter Berücksichtigung der Geschlechterparität und gegebenenfalls einer Landarztquote, Reduktion der Patientenkontakte in den Arztpraxen durch veränderte Anreizsysteme für Patienten und Ärzte, ergebnisoffene Diskussion über die Verhältnismäßigkeit medizinischer Leistungen bei Patienten mit schlechter Prognose.
Mit einem „Immer weiter“und „Immer mehr“wird unser Gesundheitssystem, dem jetzt schon merklich die Luft ausgeht (Pflegenotstand!), in den nächsten zehn bis 20 Jahren zusammenbrechen. Dr. Carl-Joachim Mellinghoff, Lindau
Verständnis für Özil Zum Artikel „Özil tritt aus DFB-Team zurück“(23.7.): Ich kann Özils Entscheidung und seine Wut nachvollziehen, weil er recht hat. Wie Benzema (französischer ExNationalspieler) damals auch sagte: Funktioniere/treffe ich bin ich Franzose, funktioniere/treffe ich nicht – bin ich Algerier. Özil wurde immer schon sehr kritisch gesehen, nicht erst seit dem Foto mit Erdogan. Seine sportliche Leistung wurde verklärt gesehen.
Natürlich hätte Özil etwas Demut auch gut zu Gesicht gestanden. Aber warum soll er ein Foto bereuen, wenn Deutschland Waffen/Panzer in die Türkei liefert und mit Erdogan Deals aushandelt. Wertschätzung/ Anerkennung ist unbezahlbar und am Ende sollte der Mensch zählen und nicht die Herkunft. Thomas Grimm, Tuttlingen
Özil darf sich nicht wundern Zum selben Thema: Seit dem Foto mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan, auf dem Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit ihren Trikots neben Herrn Erdogan posierten, gibt es ständig Berichte in den Medien darüber. Ilkay Gündogan brachte auch ziemlich zeitnah eine Stellungnahme, sodass sich die Debatte um ihn relativ schnell auch beruhigte. Aber Mesut Özil wollte sich nicht dazu äußern.
Er blieb stur und beachtete während der WM keinen der Journalisten, sondern ging wortlos und ohne einen Blick an ihnen vorbei. Dieses Verhalten nahmen ihm viele übel. Hätte sich Mesut Özil wie sein Kollege Gündogan gleich dazu geäußert, bin ich der Meinung, dass sich diese Sache nicht so hochgespielt hätte.
Aber so muss er sich wirklich nicht wundern, wenn ihn die Medien ins Visier nehmen. Das sollte er aber wissen, der so in der Öffentlichkeit steht. Und Herrn Grindel einen Rassisten zu nennen, ist schon dreist von Özil. Diese Herren haben doch das Gespräch zu ihm gesucht und wollten noch retten, was zu retten ist.
Dass sich Özil sozial engagiert, ist vorbildlich und erwähnenswert. Ich finde es sehr schade, dass dies von den Medien nicht hervorgehoben wurde. Und dass Özil und seine Familie Hass-Mails und Drohungen ausgesetzt waren, tut mir außerordentlich leid. Soweit darf eine solche Diskussion nicht führen. Es ist ein richtiger Schritt von Mesut Özil, aus der Nationalelf auszuscheiden. Heidi-Magdalena Hirsch, Spaichingen
Ohne den Mannschaftsgeist Zum Artikel „Ex-Profi Keser sieht Türkenfeindlichkeit“(27.7.): Nicht alles, was Herr Keser in seiner Stellungnahme ausspricht, muss man gut finden. Doch besonders der letzte Teil seiner Ausführungen zum Verhalten Özils trifft wohl den Nagel auf den Kopf: „Er hätte es einfacher gehabt, wenn er die Hymne gesungen hätte.“Weiter sagt Keser: „Wenn ich mich entschieden habe, für ein Land zu spielen und meine Knochen für dieses Land hinzuhalten, dann muss ich auch dazu stehen und die Hymne mitsingen.“
Und genau das ist das Hauptproblem von Anfang an! Ich kann mich nicht erinnern, Herrn Özil auch nur einmal dabei gesehen zu haben, dass er vor all seinen vielen Länderspielen bei der Hymne wenigstens die Lippen bewegt hätte. Stattdessen stand er verklemmt und geistig offenbar im Abseits da ohne Rücksicht auf die Geschlossenheit der Mannschaft und all der Betreuer, die ihm den „Mannschaftsgeist“sozusagen vorsangen. Dr. Gernot Willinger, Biberach
Liebe Leserinnen, liebe Leser, wir freuen uns über Ihre Briefe. Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass wir für die Veröffentlichung eine Auswahl treffen und uns auch Kürzungen vorbehalten müssen. Leserzuschriften stellen keine redaktionellen Beiträge dar. Anonyme Zuschriften können wir nicht veröffentlichen.
Schwäbische Zeitung Karlstraße 16 88212 Ravensburg Fax-Nr. 0751 / 295599-1499 Leserbriefe@schwaebische-zeitung.de