Hauptsache irgendein Abkommen
Mexiko stößt Kanada bei Nafta-Nachverhandlungen vor den Kopf und macht Zugeständnisse gegenüber den USA
MEXIKO-STADT - Mexiko hat nach 13 langen und aufreibenden Verhandlungsmonaten erreicht, was das lateinamerikanische Land um jeden Preis wollte. Ein neues Freihandelsabkommen mit den USA. Aber der Vertrag, den US-Präsident Trump am Montag in Washington mit der Geste des Triumphes vorstellte, ist nicht die ersehnte NAFTA 2.0.
Denn zum einen ist Kanada bisher außen vor. Und zum anderen hat der US-Präsident klar gemacht, dass das von ihm verachtete Nordamerikanische Freihandelsabkommen, das 1994 in Kraft trat, künftig verschwinden werde. Der Name NAFTA sei zu negativ belegt, weil „die USA hier benachteiligt wurden“, behauptete Trump.
Das Abkommen ist – Kanada mit eingerechnet – das größte Freihandelsabkommen der Welt, das einen Binnenmarkt von 460 Millionen Menschen erfasst und eine gemeinsame Leistung von umgerechnet rund 16,72 Billionen Euro erwirtschaftet hat. Aber das scheint nun Geschichte.
Doch der Preis für Mexiko ist hoch. Inhaltlich machte das Schwellenland vor allem bei der wichtigen Automobilindustrie schmerzhafte Zugeständnisse. Und politisch haben die Mexikaner die Kanadier im Regen stehen lassen, weil sie aus der gemeinsamen Verhandlungsfront gegenüber den USA ausscherten. Der im Dezember aus dem Amt scheidende Präsident Enrique Peña Nieto wollte seinem Nachfolger Andrés Manuel López Obrador aber auf keinen Fall den Triumph des Ablschusses eines neuen Vertrags überlassen. Schadensbegrenzung „Heute ist ein guter Tag“, frohlockte Mexikos Außenminister Luis Videgaray am Montag in Washington. „Es gibt keinen Zweifel mehr, dass wir ein Abkommen haben werden. Die Frage ist, ob es bi- oder trilateral sein wird.“Es gebe viele Variablen, die Mexiko nicht kontrollieren könne, eine davon sei die Haltung Kanadas. „Aber mit oder ohne Kanada. Wir haben ein Abkommen“, schloss Videgaray.
Diese opportunistische Haltung Mexikos dürfte Ottawa bitter aufstoßen, denn über lange Zeit vertraten die Kanadier während der Verhandlungen mit Washington die gleichen Positionen, etwa bei der Frage eines automatischen Endes des Vertrages, der so genannten Sunset-Clause. Ob der neue Vertrag nun wieder dreioder doch nur zweiseitig sein wird, könnte sich schon in den kommenden Tagen oder Wochen entscheiden. Bereits am Dienstag wurde Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland in Washington zu Gesprächen erwartet.
Für Mexiko ging es in den NeuVerhandlungen der NAFTA nur um Schadensbegrenzung. Im vergangenen Vierteljahrhundert seit der Unterzeichnung hat das Land sich vollständig an dem Abkommen ausgerichtet. 85 Prozent seiner Exporte gehen in die NAFTA-Staaten, vor allem in die USA. Laut Weltwirtschaftsforum liegt Mexiko mittlerweile auf dem zwölften Rang unter den größten Industrienationen, dank NAFTA. Ohne den Vertrag müsste Mexiko seine komplette Wirtschafts- und Exportstrategie neu denken. Knackpunkt Automobilbranche Ein Ende der Zusammenarbeit mit den USA sei daher keine Option gewesen, sagt Handelsexpertin Luz María de la Mora. „Das Wichtigste ist, dass der Bruch vermieden wurde, das automatische Ende der neuen NAFTA vom Tisch ist und die Sai- sonarbeiter-Klausel in der Landwirtschaft eliminiert wurde.“
Dafür allerdings musste Mexiko deutliche Zugeständnisse bei der für das Land so wichtigen Automobilindustrie machen, die auch US-Präsident Trump besonders am Herzen lag. Künftig muss ein Auto, um zwischen den USA und Mexiko Zollfreiheit zu genießen, einen regionalen Wertschöpfungsanteil von 75 Prozent haben, 12,5 Prozent mehr als ge- genwärtig. Dass das grundsätzlich machbar ist, haben Vertreter der Automobilbranche in Mexiko schon vor längerer Zeit klargemacht. Bis Ende 2020 muss der Regional Content erhöht werden, was der Autoindustrie einen ordentlichen Zeitraum zur Umstellung zugesteht.
Die größte Unbekannte verbindet sich mit der 16-Dollar-Regel in dem Abkommen. Dem Abkommen nach müssen rund 40 Prozent der Fahrzeuge von Arbeitern gefertigt werden, die mindestens 16 Dollar die Stunde verdienen. Das ist zunächst mal ein Problem für die Unternehmen in Mexiko, denn die Automobilbranche zahlt durchschnittlich 2,7 Dollar die Stunde. Das ist der geringste Verdienst aller Länder, die Autos fertigen. Mit Verfallsdatum Selbst wenn in die Berechnungen nicht nur die Bandarbeiter einbezogen werden, sondern auch die Angestellten in der Verwaltung, kommt auf die internationalen Autobauer, auch die deutschen, ein großer Lohnkostensprung zu. Dieser könnte die Wettbewerbsfähigkeit Mexikos in Frage stellen. Denn die Automobilindustrie ist die Vorzeigeindustrie des Landes. 2017 hat Mexiko vier Millionen Pkw produziert und war damit siebtgrößter Autobauer. Schon bald will das Schwellenland auf den fünften Platz vorrücken.
Das neue Abkommen wird eine „Sunset-Clause“haben, wie von den USA forciert. Das heißt, es läuft in 16 Jahren aus, kann aber um 16 Jahre verlängert werden. Eine solche Befristung wollten die Mexikaner vermeiden. Immerhin haben sie den Zeitraum von fünf Jahren vermieden. Zudem wird das Abkommen alle sechs Jahre überprüft und geschaut, ob und wo Probleme auftreten. Diese sollen dann beseitigt werden, ohne den Vertrag als Ganzes in Frage zu stellen.