Der Ochs im Ochsen kann sich schmecken lassen
Zunächst ein paar Notizen aus der aktuellen Korrespondenz kritischer Leser: Jüngst fragte Herbert M. in seinem Kommentar auf schwäbische.de, der unter einer Kritik mit lobenden Worten über einen formidablen Koch stand: „Wie viel muss der Wirt für diesen Bericht bezahlen?“Und ob das betreffende Haus womöglich schon einmal eine Anzeige in der „Schwäbischen Zeitung“aufgegeben habe. Nun, lieber Herr M., über die Werbeaktivitäten der Gastronomen in unserem schönen Verbreitungsgebiet bin ich nicht informiert. Und wenn Sie mit Ihrer Frage eine gewisse Bestechlichkeit unterstellen wollen, so lassen Sie mich Ihnen zurufen: Ja aber natürlich, ich bin ganz einfach zu bestechen, und zwar mit bestechend gutem Essen. Liegt ein solches bei einem anonymen Test vor, dann wird die Kritik dahingehend beeinflusst, dass sie mit einem Lob auf das reagiert, was es zu loben gibt. Sollten Sie persönlich einmal versuchen wollen, die Bestechlichkeit des Testers auszutesten, so nimmt die Redaktion jederzeit gerne Ihre Kreationen zur Verkostung entgegen. Nun aber zur Sache – und zwar zum gastronomischen Selbstverständnis des Hotel Restaurants Ochsen in Blaubeuren, das zunächst mit einem hübschen innerstädtischen Gastgarten punktet, optisch flankiert vom pittoresken Fachwerk des Gebäudes. Auch die rustikalen Innenräume, in denen die lange gastronomische Tradition des Hauses lebendig ist, wirken gemütlich. Nichtsdestotrotz hat der Betrieb seinen Hotelbereich um einen modernen Neubau erweitert, sodass sich’s nach vollzogener Mahlzeit angenehm ruhen lässt in einem der schicken Zimmer. Aber kommen wir zum Wesentlichen – dem Essen nämlich. Dabei fällt erfreulich ins Auge, dass der Koch tatsächlich noch richtig kocht und kein bloßer Tütenaufreißer ist. Dafür steht unter anderem die schmackhaften Maultaschen in kräftiger Rinderbrühe: Beides vermittelt den Eindruck handwerklicher Herstellung, was in der Suppe als unverfälschter Fleischgeschmack zutage tritt. Die Maultaschen verfügen über eine fleischbetonte Füllung, denen die frischen Kräuter noch anzusehen sind – untrügliches Zeichen für gute Ware, denn industrielle Maultaschen verraten sich meist durch bis zur Unkenntlichkeit zerkleinerte Füllungen. Hier aber verwischt der Geschmack nicht, sondern tut sich mit einer pfeffrigen Schärfe am Gaumen hervor.
Das Hauptgericht – ein Kuriosum im Umfeld traditioneller Schwabengerichte – ist ein „Ochsenschwanzragout vom Bein gelöst“. Ja was denn nun? Schwanz oder Bein? Oder beides? Eigentlich egal. Denn der Gast muss nur eines wissen: Dieses Schmorgericht – bestehend aus durchaus durchwachsenem Fleisch – schmeckt schlicht großartig. Denn was andere gerne zu Hundefutter verarbeiten, darf im Ochsen lange und intensiv vor sich hinschmurgeln, um schließlich ein Destillat aus dem puren Rinderaroma zu werden. Gehoben von vermutlich Portwein, ist die Soße in Verbindung mit den langen Spätzle eine Form des Glücks zum Löffeln.
Ebenso solide wirken die Teller der Tischnachbarn, die sich im Ochsen am schnörkellosen Stil der Küche erfreuen, die noch echtes Essen serviert.