Gutes Muhen
Es ist ja so: Der Trossinger an sich ist ein Hirte. Er hütet, was zu hüten ist: Notgroschen für schlechte Zeiten, seine Zunge vor schlechter Rede, seine Kinder und sich selber, zum Beispiel jetzt im September. Bei all den Herbst- und Oktoberfesten kann man sich bestens hüten, nicht nur mit schicken Trachten-Hüten, sondern auch davor, zu tief ins Glas zu schauen. Noch etliche Vieh-Herden werden um Trossingen herum gehütet, aber noch gar nicht so lange ist es her, da muhte es noch neben der Musikhochschule in so manche Instrumental-Probe hinein, was nur selten produktiv war, da sich die Rindviecher nicht an die notwendige Intonation hielten.
Dass stimmkräftige Paarhufer aber in einer Musikstadt willkommen sind, liegt auf der Hand. Wo dermaßen geträllert, getrommelt und trompetet wird, da freut man sich über jede Stimme, Stimm-Vieh ist bekanntlich auch gern gesehen.
Endlich kehrt jetzt ein Muher zurück, der lange vermisst wurde. Die berühmte Hohner-Kuh ist wieder da, wo eine Kuh hingehört: auf dem Dach des Kesselhauses! Sie hat viele berühmte Vorbilder, etwa den „Ochsen auf dem Dach“, das Orchesterstück von Darius Milhaud, oder die Kühe, die Marc Chagall auf Dächer und Fahnen malte, damals noch Kunstkommissar unter Lenin in Moskau. Während die Hohner-Kuh allerdings zur Arbeit rief, verschlugen Chagalls Kühe den Arbeitern die Sprache: Statt Hammer und Sichel malte er sie grün und blau auf die Fahnen, und als die zum kommunistischen Aufmarsch gehisst wurden, vergaßen die Genossen vor Schreck das Absingen der Internationale …