Fingerhakeln auf Italienisch
Die EU-Kommission weist in einem historisch einmaligen Vorgang die Haushaltspläne Italiens zurück
BRÜSSEL - Der Machtkampft spitzt sich zu. Noch am Montag hatte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte geprahlt, seine Regierung habe den Durchblick. Der Haushaltsplan für 2019 sei solide gegenfinanziert. Schon einen Tag später schickte die EU-Kommission den Entwurf zur Überarbeitung zurück. Nun hängt alles davon ab, dass die Mehrheit der Finanzminister ebenfalls Haltung zeigt.
Seit Einführung des Euro galt die Devise, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Sanktionen wurden nie verhängt. Doch spätestens in der Schuldenkrise ist den Europäern bewusst geworden, dass in einer Währungsunion einer die Schulden des anderen mitfinanziert. Deshalb müssen seit 2013 die Haushaltspläne in Brüssel zur Genehmigung vorgelegt werden, bevor sie national umgesetzt werden dürfen. Die Zeremonie selbst soll disziplinierende Wirkung entfalten, sanktionsbewehrt ist sie nämlich nicht. Erst in einem zweiten Schritt könnte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, das die Finanzminister dann absegnen müssten. Irgendwann könnten dann tatsächlich Sanktionen verhängt werden – was aber in der 18-jährigen Geschichte der Währungsunion noch kein einziges Mal vorkam.
Einige Regierungen, darunter die amtierende österreichische Ratspräsidentschaft, haben sich in den vergangenen Tagen recht unverblümt zu Italiens Plänen geäußert, im kommenden Jahr weitere 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung an Krediten aufzunehmen. Auch aus anderen der Nordschiene zugerechneten Ländern der Eurozone waren sehr kritische Töne zu hören. Die Bereitschaft, für die Wahlversprechen der italienischen Regierung den Kopf hinzuhalten, ist gering ausgeprägt – vor allem bei den Mitgliedsstaaten, die ihre Neuverschuldung in der aktuellen Boomphase deutlich senken konnten.
Es waren wohl diese Reaktionen aus den Hauptstädten, die Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu der Äußerung veranlassten, eine derart hohe Neuverschuldung bei bleibend hoher Altschuldenbelastung würden die Partner nicht hinnehmen. Italien führt mit 130 Prozent Gesamtverschuldung zusammen mit Griechenland die Schuldnerstatistik an. Im Gegensatz zu Griechenland aber gehört es nicht zu den Zwergen, die eine starke Währungsunion so nebenbei mitverkraften kann, sondern ist nach Deutschland, Frankreich und Großbritannien die viertstärkste Volkswirtschaft der Eurozone. Furcht vor dem Zusammenbruch Deshalb geht unter Politikern und Analysten die Angst um, dass ein Zusammenbruch der italienischen Wirtschaft nicht so einfach durch den Europäischen Rettungsfonds ESM aufgefangen werden könnte. Eine neuerliche Euokrise wäre die Folge. Der EU-Kommission bleibt also nur die Flucht nach vorn. Deshalb hat sie so prompt und unmissverständlich reagiert. Was aber, wenn sich die Machos in Rom davon unbeeindruckt zeigen? Dann müssen die Regierungschefs und ihre Finanzminister ebenso deutlich Farbe bekennen. Im eigenen Interesse.