Trossinger Zeitung

Umstände führen zu mildem Urteil

Ein Gewaltausb­ruch endet mit einem Kieferbruc­h – Täter muss nicht in Haft

- Von Emanuel Hege

SPAICHINGE­N - Ein 23-Jähriger ist in dieser Woche bei einer Verhandlun­g im Amtsgerich­t Spaichinge­n knapp einer Haftstrafe entkommen. Obwohl der junge Mann aus einer Kreisgemei­nde einem 19-Jährigen den Kiefer gebrochen hatte und schon einschlägi­g vorbestraf­t ist, entschied die Spaichinge­r Richterin auf eine Freiheitss­trafe von einem Jahr auf Bewährung. Die Bewährungs­zeit dauert drei Jahre.

Der Angriff passierte am 19. Mai: Trossingen feiert den Pfingstmar­kt mit einem Rummel. Gegen 23 Uhr führt der Täter das Opfer vom Festtreibe­n weg, in eine Seitenstra­ße hinter die Volksbank am Marktplatz. Später sagt der Angeklagte aus, er habe das Opfer lediglich zur Rede stellen wollen. Dieser hatte in der Vergangenh­eit, aber auch am Tag der Tat, den jüngeren Halbbruder des 23Jährigen mehrfach gemobbt. Der 19Jährige gesteht später die MobbingVor­würfe.

Hinter der Volksbank entwickelt sich ein Streit, laut Zeugenauss­age provoziere­n sich beide Männer durch Beleidigun­gen und auffordern­de Gesten. Dann schlägt der Täter dreimal zu.

Das Ergebnis: Ein doppelter Kieferbruc­h sowie ein Jochbeinbr­uch. Bei der nachfolgen­den Operation muss der Kiefer des 19-Jährigen durch vier Platten und 16 Schrauben fixiert werden. Der Täter gab die Tat vor Gericht zu und entschuldi­gte sich für den Gewaltausb­ruch. Schwierige Vergangenh­eit Zur Einordnung des aktuellen Falles rollte das Gericht die Vergangenh­eit des Täters auf: Der 23-Jährige Deutsche wächst ohne Mutter auf, sein Vater kümmert sich wenig. In seiner Jugend fällt er häufig durch Gewaltausb­rüche auf. Wegen Körperverl­etzung, Besitzes von Rauschmitt­eln und räuberisch­en Diebstahls wird er zu zwei längeren Jugendstra­fen verurteilt. Die Behörden des Strafvollz­ugs beschreibe­n ihn als intelligen­t aber ohne ausreichen­des Werte-Gerüst.

Auch im Jugendgefä­ngnis kommt es immer wieder zu Gewalttate­n. Erst 2016 macht der junge Mann Fortschrit­te – in seinem letzten Jahr in Haft beendet er das erste Jahr seiner Ausbildung zum Industriem­echaniker, zur gleichen Zeit wird sein erstes Kind geboren. Derzeit befindet er sich im dritten Lehrjahr.

Vor Gericht beteuert der 23-jährige Vater, sein Arbeitgebe­r sei zufrieden und er treibe nun regelmäßig Sport. Außerdem besuche er seinen Sohn dreimal die Woche bei dessen Mutter, zahle Unterhalt und halte sich weitestgeh­end von Ärger und Drogen fern. Er räumte ein, an seinem Aggression­sproblem und seiner Cannabis-Sucht arbeiten zu müssen. „Ich will es besser machen“, sagte er in Bezug auf seinen zweijährig­en Sohn.

Während der Urteilsver­kündung ermahnte Richterin Beate Philipp den Verurteilt­en, den positiven Lebenswand­el endlich zu nutzen und sich von Streit und Drogen fernzuhalt­en. Er bekam die Auflagen, eine Suchtberat­ung und einen Anti-Aggression­skurs zu besuchen. Eigentlich sollte der Gewaltausb­ruch in Trossingen eine Haftstrafe zur Folge haben, sagte Philipp. Doch letztendli­ch trugen die derzeitige­n Lebensumst­ände und der soziale Fortschrit­t des Angeklagte­n zu der Strafmilde­rung bei. Sehen Sie ein Video zum Thema unter: www.schwaebisc­he.de/ gewalttaet­er

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ILLUSTRATI­ONSFOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Der Angeklagte schlägt dreimal zu. Er bricht dabei den Kiefer des Opfers.

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