Gastronomie: Ist die deutsche Küche noch gefragt?
Wer etwas Traditionelles in einem Restaurant mit deutscher Küche essen will, muss in Tuttlingens Innenstadt schon lange suchen, bis er fündig wird. Gründe dafür gibt es viele und unterschiedliche, meinen Gastronomen und Experten. Auf der Speisekarte des „Rittergarten“in Tuttlingen stehen das ganze Jahr über Schnitzel, Zwiebelrostbraten, Maultaschen, eben alle Gerichte, die typisch deutsch sind. Sonja Klaß und Thomas Stenger haben das Restaurant vor drei Jahren gepachtet und sind, wie sie sagen, mit dem Geschäft zufrieden. 80 Prozent ihrer Gäste sind Stammkunden. Trotzdem sind sie der Meinung: Leicht haben es Gastronomen in der Stadt nicht. „Auf dem Land sind die Pachtpreise günstiger“, sagt Stenger. Wer in der Stadt eine Gastronomie betreibt, müsse diese Kosten erst einmal wieder erwirtschaften und das sei nicht leicht. Hinzu kommt, dass nicht jeder bereit sei, für einen Braten zu bezahlen, den er auch zuhause zubereiten könnte. Oder er könne sich es einfach nicht leisten, sagt Stenger. In Wurmlingen gibt es sechs Gaststätten mit deutscher Küche. Reinhold Dick vom Gasthof „Zum Sternen“glaubt, dass die örtliche Brauerei ausschlaggebend dafür sei. Das örtliche Hotel „Traube“, die Tuttlinger Industrie mit den Geschäftsessen und die Brauerei, die Besichtigungen anbietet, brächten hungrige Gäste nach Wurmlingen. Dennoch: Dick kennt das Problem um die deutsche Küche und seinen Berufsstand. Seiner Meinung nach gehen die Leute lieber in die Industrie anstatt in die Gastronomie. Die langen Arbeitstage und der geringere Verdienst würden den Beruf für manche unattraktiv machen. Hinzu kämen gesetzliche Vorgaben, die das Leben der Gastronomen erschweren. Für Hubert Hepfer, Geschäftsführer der Wurmlinger HirschBrauerei, ist die Vielzahl an Restaurants mit deutscher Küche in Wurmlingen eine „Sondersituation“. Das örtliche Hotel würde ebenso seinen Beitrag dazu leisten wie die Tatsache, dass vier von sieben Gastronomie-Betriebe inhabergeführt sind. Warum es kaum vergleichbare Gastronomie-Betriebe in Tuttlingens Innenstadt gibt, hat wohl geschichtliche Gründe, mutmaßt Hepfer. Das heutige Stadtgebiet von Tuttlingen mit Möhringen, Nendingen und Eßlingen umfasste um 1890 mindestens 49 Brauereien, oft verbunden mit Gaststätten, schreibt das „Junge Donau“-Magazin. „Der Wettbewerb war intensiv“, sagt Hepfer. Vielleicht zu intensiv, meint er. Hinzu komme die Gastarbeiterwelle in den 1950er-Jahren, die internationales Publikum mit eigenen Ansprüchen in die Stadt gebracht habe. Weitere Gründe sieht Michael Hipp, Inhaber des Hotels und Gasthofs „Sonne“in Fridingen und Vorsitzender des Bereichs Gastronomie beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Tuttlingen: Nach dem Boom der deutschen Küche Mitte der 1980er-Jahre habe sich die Gesellschaft verändert. Anfangs seien Firmenmitarbeiter jeden Mittag zum Essen gegangen. „Heute hat jeder Gleitzeit, viele Firmen haben Kantinen. Mittags fallen somit viele Gerichte weg“, erläutert Hipp. Mittlerweile würden Metzger und Bäcker einen Mittagstisch anbieten, die Zahl der Imbissbuden sei gestiegen. Rund um die Jahrtausendwende herrschte laut Hipp die „Geiz ist geil-Mentalität“. Die Leute seien nicht bereit gewesen, Geld für gutes Essen auszugeben. Derweil sei die deutsche Küche arbeitsintensiv. Die Gerichte „kann man zu einem guten Preis anbieten“, sagt Hipp. Problematisch sei auch, dass jeder nach nur einem Kurs einen Gastronomie-Betrieb eröffnen könnte. Familienbetriebe gebe man nicht so leicht auf wie einen gepachteten Betrieb, glaubt Hipp und ergänzt: „Da hängt viel Herzblut drin.“Und dieses Herzblut merkt ein Gast laut dem Gastronomen Reinhold Dick ganz einfach: „Wenn man ein Restaurant betritt und es duftet, dann weiß man, dass frisch gekocht wird. Aushängeschild ist immer der Salat.“
„Da hängt viel Herzblut drin.“