Zwischenbilanz zur digitalen Aufholjagd
Die Große Koalition hat versprochen, Deutschland fit für die digitale Zukunft zu machen – Wo es vorangeht und wo nicht
BERLIN (dpa) - Deutschland liegt auf dem Weg in die digitale Zukunft weit zurück: Schon die Grundvoraussetzung – schnelles Internet – fehlt vielerorts. Das ärgert nicht nur Familien, die keine Filme streamen können. Die Wirtschaft in bestimmten Regionen fällt zurück, weil Unternehmen mit schwacher Internetverbindung weniger effektiv arbeiten. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD viel versprochen: schnelles Internet überall, keine Funklöcher, Behörden, in denen praktisch alles online geht, digitaler Wandel in Arbeitswelt und Schulen. Wo kommt die Digitalisierung voran, wo stockt sie? Eine Bestandsaufnahme:
Schnelles Internet: Ziel der Bundesregierung sind Glasfaserleitungen bis vor jede Haustür. Bis 2025 soll der Ausbau des Netzes fertig sein, kündigte Kanzleramtsminister Helge Braun am Mittwoch im ARD„Morgenmagazin“an. Noch geht es aber schleppend voran: Einen richtig schnellen Internetanschluss mit mehr als 100 Megabit pro Sekunde hat nicht mal jeder zehnte Haushalt. Beim neuen Mobilfunkstandard 5G gibt es Zoff: Die Netzbetreiber sollen verpflichtet werden, Funklöcher zu schließen und eine nahezu flächendeckende Versorgung zu garantieren. Doch bei zu strengen Auflagen werden weniger Betreiber mitbieten, wenn die Lizenzen versteigert werden. Digitale Behördengänge: Vom Sofa aus das Auto ummelden, Reisepässe beantragen oder nach der Geburt das Kind anmelden? In anderen Ländern gibt es das längst, sogar Scheidungen kann man am Heim-Computer abwickeln. Hierzulande muss man aufs Bürgeramt, doch es geht zumindest langsam voran: Die Bundesregierung hat die Einführung eines Bürgerkontos angekündigt, spätestens 2022 soll man Behördengänge online und vom Smartphone erledigen können.
Digitale Schule: Tablet Computer statt Schulhefte, interaktive Boards statt Tafeln und digitale Animationen statt Bilder: So sollen Schüler künftig lernen. Die Regierung will in fünf Jahren fünf Milliarden Euro zahlen, um die Schulen komplett internetfähig zu machen und digitalen Methoden zum Durchbruch zu verhelfen. Wo stockt es? Weil Bildung Ländersache ist, kann der Bund nicht grundsätzlich mitfinanzieren. Die Regierung will das Grundgesetz ändern, doch die Länder sind skeptisch. Kürzlich meldeten Bund und Länder Fortschritt: Am 6. Dezember soll eine Vereinbarung stehen.
Künstliche Intelligenz: Wenn von Künstlicher Intelligenz gesprochen wird, fällt immer wieder der Vergleich zur Dampfmaschine. Ungefähr so wichtig könnte dieses Feld in den nächsten Jahren werden, meinen Experten. Was die Nutzung der lernenden Software angeht, laufen die USA und China Deutschland derzeit den Rang ab. Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass Deutschland zu einem weltweit führenden Standort wird und investiert deshalb rund drei Milliarden Euro vor allem in Forschung und Entwicklung. Ein Problem: Damit die Algorithmen trainiert werden können, braucht man große Mengen an Daten. Deutschlands hohe Datenschutzstandards machen den Fortschritt schwierig.