Aus der Zeit gefallen
Konventionell gestrickt, aber mit feinem britischen Humor: Der Musikfilm „Juliet, Naked“
ockstars wie Tucker Crowe gibt es heute ja nicht mehr. Nimmt ein legendenumwobenes Album in den frühen 19ern auf – und ist seitdem für Jahre verschwunden. Kein Lebenszeichen. Fans, fast ausnahmslos Männer, finden sich im Internet zusammen, sammeln jeden Hinweis, ergehen sich in Verehrung, doch Crowe ist wie vom Erdboden verschwunden. Bis er auf einmal wieder mit neuen Songs da ist. Und damit eine veritable Krise eines englischen Paars auslöst.
„Juliet, Naked“ist ein altmodischer Film, aus analogen Zeiten, als Musiker noch sogenannte Platten einspielten. Bei Tucker Crowes neuer CD nach dem langen Schweigen ist es zufällig die Freundin eines Hardcore-Fans, die distanziert und durchaus ihren Freund als Adressaten meinend eine erste Rezension im Netz schreibt und die Aufnahmen herunterputzt, während die Anhänger in kritikloser Bewunderung erstarren. Dann die Überraschung: Tucker Crowe selbst liest ihre Kritik, teilt sie und nimmt über den Atlantik hinweg Kontakt mit ihr auf, weil er sich verstanden fühlt. Und eine Dreiecksgeschichte nimmt ihren Lauf.
Der Film basiert auf einem Roman des englischen Schriftstellers Nick Hornby („High Fidelity“, „Fever Pitch“) und ist eine solide konstruierte romantische Komödie geworden. Sorgfältig bis in die Nebenfiguren besetzt, nehmen Rose Byrne als verhuschte Bibliothekarin Annie in einem putzigen englischen Küstenstädtchen und Ethan Hawke als leicht schratiger Musiker den Zuschauer für sich ein. Das ist alles überaus konventionell, aber gut gebaut, meist mit britischem Witz, manchmal sentimental – etwa wenn Ethan Hawke (mit seiner eigenen Stimme) seiner englischen Freundin eine schöne Version von „Waterloo Sunset“der Kinks vorsingt.
Eine gute Komödie ist mehr als eine Ansammlung von Gags und zündenden Dialogen – hier steht eine Emanzipationsgeschichte dahinter, denn Annie bricht aus einem langweiligen, eingefahrenen Leben aus, in dem ihr Partner Duncan zunehmend verharrt. Ein solcher Ausbruch bedeutet auch: Opfer bringen, etwas hinter sich lassen, Fesseln lösen. Dabei wird Duncan, auf seine Weise verschroben wie sein Idol, nicht zum Idioten gemacht, sondern zu einem sympathischen, wenngleich nicht sehr sensiblen Loser.
Ein Film über einen Musiker muss auf gutem Songmaterial aufbauen. In „Juliet, Naked“haben die Produzenten und Regisseur Jesse Peretz ein paar bekannte Songwriter angesprochen, die Material zur Verfügung gestellt haben – nicht die schlechtesten Autoren wie Ryan Adams, Conor Oberst, M. Ward oder Robyn Hitchcock, deren Namen die musikalische Richtung vorgeben: Leicht countryfiziert, ein wenig grungig, klassischer Songwriter-mit-Band-Stoff. Ein Film, der rockt. Juliet, Naked. Regie: Jesse Peretz. Mit Rose Byrne, Ethan Hawke, Chris O’Dowd. USA 2018. 105 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.