Wenn die Wirtshausbühne zur Kanzel wird
Verkündigung mit der Stoppuhr: Beim ersten Predigt-Slam im fränkischen Coburg treten heute nicht nur Theologen an
COBURG (epd) - Es ist eines der beliebtesten Luther-Zitate: „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“, soll der Reformator einst bei seinen Tischreden als Merksatz für Prediger formuliert haben – auch wenn es, ähnlich wie beim berühmten „Apfelbäumchen“-Aphorismus („Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“), dafür keine gesicherte Quelle gibt. Selten dürfte das Zitat aber treffender sein als für ein junges Genre namens PredigtSlam, das jetzt auch seinen Weg nach Oberfranken gefunden hat. Dass der vermutlich erste öffentliche PredigtSlam im Kirchenkreis Bayreuth am heutigen Freitag ( 19 Uhr) ausgerechnet in einem Wirtshaussaal in der Lutherstadt Coburg ausgetragen wird, ist kein Zufall.
Die Idee hatte Dekan Stefan Kirchberger quasi im Umzugsgepäck, als er vor zwei Jahren von Augsburg nach Coburg kam. Die Fuggerstadt hat die wohl längste Erfahrung mit Predigt-Slams auf bayerischem Boden; Vorreiter gab es unter anderem in Baden-Württemberg und in der Schweiz. 2009 veranstaltete die Gruppe „Biblia Viva Augustana“den ersten Augsburger Predigt-Slam. Dabei durften die Teilnehmer – allesamt Nichttheologen – jeweils sieben Minuten lang ihre „Gedanken über Gott und die Welt von der Bühne verkündigen“, wie es damals in der Einladung hieß. Inzwischen gehört der Predigt-Slam zum festen Programm im Umfeld des traditionellen Augsburger Friedensfestes. Eigentlich wollte Kirchberger einsol ch esEvent auch zum 100. Jubiläums einer Drei einigkeits kirchengemeinde im Augsburger Stadtteil Göggingen auf die Beine stellen; ein Plan, der sich aufgrund des Wechsels nach Coburg allerdings nicht mehr verwirklichen ließ. Durchs Nadelöhr zum Sieg Jetzt dürfen sich also „Wortakrobaten und Sprachkünstler“erstmals auf einer Bühne eines Coburger Wirtshauses in der Auslegung von Bibelworten messen. Dafür haben die Veranstalter drei durchaus bekannte Passagen aus dem Alten und dem Neuen Testament zur Vorgabe gemacht: Das dritte Gebot „Du sollst den Sabbat heiligen“(2. Mose 20, 811), das Gleichnis vom reichen Jüngling „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“(Markus 10, 17-27) und die Stelle aus den Seligpreisungen „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr?“(Lukas 6, 41+42). Und die Stoppuhr läuft mit: Die Redezeit beträgt in Coburg maximal sechs Minuten.
Der Coburger Predigt-Slam ist nach Kirchbergers Worten ein offener Wettbewerb; bewerben können sich theologische Laien ebenso wie Pfarrerinnen oder Pfarrer. Sie werden sich an dem Abend in Gesellschaft erfahrener „Slammer“aus Thüringen, Württemberg und Franken befinden. Mit dabei ist – außer Konkurrenz – auch lokale Prominenz wie Bernd F. Loges, der Intendant des Coburger Landestheaters, oder der Coburger Diakonievorstand Franz F. Schön, der im vorigen Jahr einen Predigt-Slam beim Evangelischen Kirchentag in Wittenberg gewonnen hat.
Was ist so reizvoll an einem Predigt-Slam? Für Dekan Kirchberger ist das nicht nur die kreative Auseinandersetzung mit den Worten der Bibel außerhalb vertrauter Kirchenmauern. „Die Veranstaltung lebt auch von der etwas verfremdenden Umgebung in einer Gastwirtschaft“, sagte er. Neugierig sei er auf alle neuen Darbietungen, die wohl sehr unterschiedlich ausfallen dürften, „von mitreißend bis nachdenklich“.