Der Appell muss Folgen haben
Emmanuel Macron lässt nicht nach. Der französische Staatspräsident gibt weiter den unbequemen Mahner. In seiner bewegenden Rede zum Volkstrauertag wird er nicht müde, Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel zu einer Kraftanstrengung aufzufordern, um die Europäische Union besser gegen die immer stärker werdenden Fliehkräfte zu wappnen und aus der anhaltenden Sinnkrise zu führen.
Der deutsch-französische Schulterschluss beim Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren und die vielen Opfer ist ein eindrucksvolles Zeichen. Aus den Erzfeinden auf den Schlachtfeldern sind längst enge Freunde und verlässliche Partner geworden. Die deutsch-französische Freundschaft, der erste Auftritt des jungen französischen Präsidenten im Bundestag – all dies sind Geschenke, die kaum hoch genug eingeschätzt werden können.
Macrons eindringlicher Appell und die Erinnerung, dass Paris und Berlin gerade jetzt gefordert sind, Europa und die Welt nicht ins Chaos stürzen zu lassen, darf nicht ungehört und ohne Folgen bleiben. Natürlich sind die Reformpläne des französischen Staatsoberhauptes für die EU äußerst ambitioniert und auch keineswegs frei von eigenen nationalen Interessen. Doch ohne ehrgeizige Pläne und mutige Visionen wird es eben auch in Zukunft nur weitere kleine Schritte geben.
Hätten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle mit den Vereinbarungen des Élysée-Vertrages nicht gerade diesen Mut bewiesen, hätte es keine Annäherung und keinen Jahrzehnte währenden Frieden in Europa gegeben. Europa braucht mehr Eigenständigkeit und Souveränität. Die Herausforderungen sind zu groß, als dass sie von einzelnen nationalen Staaten bewältigt werden könnten. Eine gemeinsame Armee wäre ein Schritt in diese Richtung und ein Beitrag zu Stabilität und Frieden. Weitere müssen folgen. Wie wichtig das europäische Miteinander ist, hat Kommissionschef Jean-Claude Juncker einst auf den Punkt gebracht: „Wer an Europa zweifelt, der sollte auf Soldatenfriedhöfe gehen.“ politik@schwaebische.de