Union blockt Reformpläne zu Hartz IV ab
Streit um Vorstoß von SPD und Grünen für ein Ende des bisherigen Systems
BERLIN - Der Bundeswirtschaftsminister zieht gleich eine rote Linie: „Wir dürfen und werden Hartz IV nicht abschaffen“, erteilt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Plänen von SPD und Grünen eine klare Absage. „Hoch gefährlich“seien solche Vorschläge und mit der Union nicht zu machen. Schließlich schadeten solche Pläne dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Arbeitsmarktreformen der Regierung Gerhard Schröder hätten geholfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Klare Absage vom Koalitionspartner zu den Plänen der SPD-Spitze einer „großen Sozialstaatsreform“und einem Ende von Hartz IV. Parteichefin Andrea Nahles hatte dies in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“angekündigt, ließ aber offen, wie diese genau aussehen soll. Klingbeil kritisiert Altmaier „Die neue Grundsicherung muss ein Bürgergeld sein“, erklärte sie. Leistungen sollten klar und auskömmlich sein, Sanktionen weitestgehend wegfallen. „Wir werden Hartz IV hinter uns lassen“, hatte sie bereits vor gut einer Woche eine „Sozialstaatsreform 2025“angekündigt. Ziel müsse es sein, zu verhindern, dass überhaupt so viele Menschen wie heute auf Grundsicherung angewiesen seien. Dass Menschen den Sozialstaat nicht als Unterstützung, sondern als „Hindernislauf“empfinden würden, führe zu einem gefährlichen Vertrauensverlust, warnt die SPDVorsitzende. Der Sozialstaat müsse „einfacher und verlässlicher“werden.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verteidigte den NahlesVorstoß und wies die Kritik des Koalitionspartners zurück. „Die Union bleibt krampfhaft in der Vergangenheit stehen. Das ist verantwortungslos“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Der Arbeitsmarkt hat sich seit 2003 massiv gewandelt. Die Digitalisierung erfordert einen modernen Sozialstaat, der den Menschen Sicherheit in diesen Zeiten des Wandels bietet“, erklärte er. Daran arbeite die SPD jetzt.
Auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach bekräftigte die Pläne: „Wir sollten Hartz IV ganz abschaffen und ein Bürgergeld einführen“, forderte er. „Es muss eine solidarische Leistung für diejenigen geben, die arbeiten wollen, aber nicht arbeiten können. Diese Menschen brauchen nicht noch zusätzliche Demütigungen“, sprach er sich für ein Ende von Sanktionen aus. Die Bürgerinnen und Bürger empfänden es als Willkür und lehnten dies ab. „Wir werden jetzt mit der Union über eine Abschaffung verhandeln. Die ersten Reaktionen von Herrn Altmaier sind allerdings enttäuschend“, erklärte Lauterbach. „Hartz IV ist wie ein Antibiotikum. Das Fieber ist aber inzwischen vorbei. Wir sind nahe an der Vollbeschäftigung“, erklärte der SPDSozialexperte. „Jetzt braucht man das Antibiotikum nicht mehr zu nehmen. Im Gegenteil: Wenn man es zulange einnimmt, schadet es mehr als es hilft“, sagte er. Politik paradox: Die Union verteidigt die von der rot-grünen Bundesregierung unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder eingeführten Sozialstaatsreformen der Agenda 2010. SPD und Grüne dagegen wollen sich davon verbschieden. „Man sollte aufhören, das System schlecht zu reden“, verteidigte der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, die Hartz-IV-Regeln und warnte vor einer Abschaffung. Grüne wollen Garantiesicherung Auch die Grünen setzen sich für eine Sozialstaatsreform und ein Ende von Hartz IV ein, wollen die Leistung durch eine „Garantiesicherung“ergänzen, die auf Anreize statt auf Sanktionen setzen soll. Sanktionen für Arbeitslose, die nicht mit den Jobcentern zusammenarbeiten, sollen entfallen. Für die Auszahlung der Garantiesicherung soll die Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Nach dem Konzept von Grünen-Chef Habeck soll es höhere Leistungen und eine Anhebung der Schönvermögen auf 100 000 Euro geben. Zu den bereits sechs Millionen Empfängern von Hartz-IV würden nach Schätzungen der Grünen der Partei noch weitere vier Millionen Haushalte mit einem Anspruch auf die Garantiesicherung hinzukommen. Geschätzte Kosten: 30 Milliarden Euro. Mit dem Modell könne wirksam die Armut verringert werden.