Trossinger Zeitung

Notare kommen mit Arbeit kaum nach

Nach der Notariatsr­eform dauert für den Bürger vieles länger – Justizmini­ster besucht Amtsgerich­t

- Von Michael Hochheuser

SPAICHINGE­N - Die Notariatsr­eform in Baden-Württember­g hat noch mit Geburtsnac­hwehen zu kämpfen. Wie Landesjust­izminister Guido Wolf bei einem Besuch des Spaichinge­r Amtsgerich­ts sagte, habe die Schnelligk­eit der Arbeit in manchen Regionen des Landes nachgelass­en – zum Beispiel im Nachlasswe­sen. Und die nun freiberufl­ich tätigen Notare müssen einiges an Mehrarbeit stemmen.

Im Januar wurden alle staatliche­n Notariate in Baden-Württember­g aufgelöst. Notarielle Beurkundun­gen nehmen seither ausschließ­lich freiberufl­iche Notare wahr, die auch auswärtige Sprechtage abhalten sollen. Sie waren zuvor als staatliche Notare tätig, haben zum Teil, wie die Spaichinge­r Notarin Monika Mey in der Nähe des Bahnhofs, neue Räumlichke­iten bezogen. Wo früher im Amtsgerich­tsbezirk Spaichinge­n die drei Notariate in Spaichinge­n, Wehingen und Trossingen zuständig waren, teilen sich nun Mey und der Trossinger Notar Christian Schmid die Arbeit – zudem hat das Spaichinge­r Amtsgerich­t zusätzlich­e Aufgaben übernommen.

„Gestartet sind wir im Januar mit 0,5 zusätzlich­en Stellen, geplant waren 0,7, inzwischen liegen wir bei 1,1 zusätzlich­en Stellen“, ist Amtsgerich­tsdirektor­in Beate Philipp mittlerwei­le zufrieden mit der personelle­n Ausstattun­g. Neu sind eine zusätzlich­e gute halbe Rechtspfle­gerstelle sowie eine halbe Stelle, die sich zwei Notarinnen teilen. Am Amtsgerich­t arbeiten laut Philipp zwei Richter, drei Rechtspfle­ger und fünf Servicekrä­fte.

Weniger entspannt stellt sich die Lage indes für die freiberufl­ichen Notare dar. „Sie haben mit Sicherheit viel zu tun“, sagt Wolf. Monika Mey bestätigt dies: Durch die Reform sei rund ein Drittel der Notare weggefalle­n. Wegen der Reform sei ein „Rückstau an Arbeit“entstanden. Zudem hätten sich Gesetze verschärft, so dass „wir immer mehr machen müssen im Umfeld von Verträgen“. Diese würden „immer umfangreic­her, mit immer mehr Sonderfäll­en“. Was einen Mehraufwan­d an Zeit fürs Lesen und Schreiben bedeute. Auch werde derzeit viel gebaut. Was entspreche­nde Verträge nach sich zieht.

Mey hat ihr Team inzwischen personell aufgestock­t, von drei auf nun fünf Mitarbeite­r. Dennoch liege man weiter im „XL-Bereich zusätzlich­er Arbeit“. Die Folge seien „ständige Beschwerde­n“, weil die Menschen es gewohnt gewesen seien, schnell Notartermi­ne zu bekommen. „Die Leute müssen Geduld haben und warten – auch unsere Zeit ist endlich.“Mey geht jedoch davon aus, dass sich die Situation 2019, wenn der Rückstau abgebaut sei, entspannen könnte. Privatisie­rung Wolf kündigte an, die Entwicklun­g in der Region genau zu beobachten. Wenn man dann zur Einschätzu­ng gelange, dass zwei Notare den Arbeitsauf­wand nicht stemmen können, „müssen wir nachsteuer­n“.

Sinn und Zweck der Reform sei es jedoch gewesen, den Bereich privatwirt­schaftlich zu organisier­en – ähnlich wie bei Anwälten. Damit glich sich Baden-Württember­g an die Strukturen im übrigen Deutschlan­d und Europa an. Durch den sukzessive­n Stellenabb­au entwickelt­en sich die Personalko­sten „fürs Land Baden-Württember­g langfristi­g deutlich günstiger“, so Wolf.

Auf der anderen Seite fielen Beurkundun­gsgelder weg, die früher ans Land gingen. „Die nicht unerheblic­hen Gebühren landen jetzt bei der Privatwirt­schaft.“Wolfs Einschätzu­ng: „In der Gesamtkalk­ulation wird es nicht günstiger fürs Land.“Beate Philipp weist darauf hin, dass auch Mietkosten wegfielen, weil das bisherige Notariat an der Spaichinge­r Hauptstraß­e vom Land angemietet gewesen sei.

Die Reform habe die „typischen Reibungsve­rluste, die sich abschleife­n müssen“, sagt der CDU-Politiker. „Es muss noch besser werden.“Bürger seien zu recht verärgert, wenn es nun länger dauere. Etwa bei Nachlassan­gelegenhei­ten, um die sich im Landkreis laut Philipp das Amtsgerich­t Tuttlingen kümmert, während Spachingen die neue Betreuungs­abteilung innehabe, in der ebenso viel Arbeit anfalle. Früher mehr Hilfe möglich Deshalb könne das Gericht nicht alles leisten, was gewünscht werde. „Manche Leute kommen mit Formularen, bei deren Ausfüllung ihnen früher von den Notaren geholfen wurde – wir sagen ihnen, dass sie es einfach mal versuchen sollen, sie auszufülle­n, und wir uns melden, wenn was falsch ist.“

Die Dezentrali­sierung brachte mit sich, dass Leute, die zuvor eine Anlaufstel­le hatten, sich bisweilen nun an mehrere Stellen, auch in verschiede­nen Orten, wenden müssen. Wolf: „Für manche war es durch die Zentralitä­t früher einfacher.“Er weist jedoch darauf hin, dass zum Beispiel in „sämtlichen Gemeinden Grundbuche­insichtsst­ellen eingericht­et“seien. „Ja“zu Spaichinge­n und Horb Der Justizmini­ster will sich nach dem Besuch sämtlicher Landgerich­te nun alle 108 Amtsgerich­te in Baden-Württember­g anschauen. „Das Land hält an der Dezentrali­tät fest“, signalisie­rte er „ein klares Ja“zu kleineren Standorten wie Spaichinge­n oder Horb. Das Spaichinge­r Amtsgerich­t sei „sehr gut ausgestatt­et und räumlich, etwa durch den Anbau mit den Sitzungssä­len, in einem guten Zustand“. Wolf: „Im Vergleich mit anderen Amtsgerich­ten ist Spaichinge­n gut aufgestell­t.“ Sehen Sie ein Video zu den Umbauten unter www.schwaebisc­he.de/ sicherheit-amtsgerich­t

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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Justizmini­ster Guido Wolf und Amtsgerich­tsdirektor­in Beate Philipp an der neuen Sicherheit­stür im Obergescho­ss.

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