Notare kommen mit Arbeit kaum nach
Nach der Notariatsreform dauert für den Bürger vieles länger – Justizminister besucht Amtsgericht
SPAICHINGEN - Die Notariatsreform in Baden-Württemberg hat noch mit Geburtsnachwehen zu kämpfen. Wie Landesjustizminister Guido Wolf bei einem Besuch des Spaichinger Amtsgerichts sagte, habe die Schnelligkeit der Arbeit in manchen Regionen des Landes nachgelassen – zum Beispiel im Nachlasswesen. Und die nun freiberuflich tätigen Notare müssen einiges an Mehrarbeit stemmen.
Im Januar wurden alle staatlichen Notariate in Baden-Württemberg aufgelöst. Notarielle Beurkundungen nehmen seither ausschließlich freiberufliche Notare wahr, die auch auswärtige Sprechtage abhalten sollen. Sie waren zuvor als staatliche Notare tätig, haben zum Teil, wie die Spaichinger Notarin Monika Mey in der Nähe des Bahnhofs, neue Räumlichkeiten bezogen. Wo früher im Amtsgerichtsbezirk Spaichingen die drei Notariate in Spaichingen, Wehingen und Trossingen zuständig waren, teilen sich nun Mey und der Trossinger Notar Christian Schmid die Arbeit – zudem hat das Spaichinger Amtsgericht zusätzliche Aufgaben übernommen.
„Gestartet sind wir im Januar mit 0,5 zusätzlichen Stellen, geplant waren 0,7, inzwischen liegen wir bei 1,1 zusätzlichen Stellen“, ist Amtsgerichtsdirektorin Beate Philipp mittlerweile zufrieden mit der personellen Ausstattung. Neu sind eine zusätzliche gute halbe Rechtspflegerstelle sowie eine halbe Stelle, die sich zwei Notarinnen teilen. Am Amtsgericht arbeiten laut Philipp zwei Richter, drei Rechtspfleger und fünf Servicekräfte.
Weniger entspannt stellt sich die Lage indes für die freiberuflichen Notare dar. „Sie haben mit Sicherheit viel zu tun“, sagt Wolf. Monika Mey bestätigt dies: Durch die Reform sei rund ein Drittel der Notare weggefallen. Wegen der Reform sei ein „Rückstau an Arbeit“entstanden. Zudem hätten sich Gesetze verschärft, so dass „wir immer mehr machen müssen im Umfeld von Verträgen“. Diese würden „immer umfangreicher, mit immer mehr Sonderfällen“. Was einen Mehraufwand an Zeit fürs Lesen und Schreiben bedeute. Auch werde derzeit viel gebaut. Was entsprechende Verträge nach sich zieht.
Mey hat ihr Team inzwischen personell aufgestockt, von drei auf nun fünf Mitarbeiter. Dennoch liege man weiter im „XL-Bereich zusätzlicher Arbeit“. Die Folge seien „ständige Beschwerden“, weil die Menschen es gewohnt gewesen seien, schnell Notartermine zu bekommen. „Die Leute müssen Geduld haben und warten – auch unsere Zeit ist endlich.“Mey geht jedoch davon aus, dass sich die Situation 2019, wenn der Rückstau abgebaut sei, entspannen könnte. Privatisierung Wolf kündigte an, die Entwicklung in der Region genau zu beobachten. Wenn man dann zur Einschätzung gelange, dass zwei Notare den Arbeitsaufwand nicht stemmen können, „müssen wir nachsteuern“.
Sinn und Zweck der Reform sei es jedoch gewesen, den Bereich privatwirtschaftlich zu organisieren – ähnlich wie bei Anwälten. Damit glich sich Baden-Württemberg an die Strukturen im übrigen Deutschland und Europa an. Durch den sukzessiven Stellenabbau entwickelten sich die Personalkosten „fürs Land Baden-Württemberg langfristig deutlich günstiger“, so Wolf.
Auf der anderen Seite fielen Beurkundungsgelder weg, die früher ans Land gingen. „Die nicht unerheblichen Gebühren landen jetzt bei der Privatwirtschaft.“Wolfs Einschätzung: „In der Gesamtkalkulation wird es nicht günstiger fürs Land.“Beate Philipp weist darauf hin, dass auch Mietkosten wegfielen, weil das bisherige Notariat an der Spaichinger Hauptstraße vom Land angemietet gewesen sei.
Die Reform habe die „typischen Reibungsverluste, die sich abschleifen müssen“, sagt der CDU-Politiker. „Es muss noch besser werden.“Bürger seien zu recht verärgert, wenn es nun länger dauere. Etwa bei Nachlassangelegenheiten, um die sich im Landkreis laut Philipp das Amtsgericht Tuttlingen kümmert, während Spachingen die neue Betreuungsabteilung innehabe, in der ebenso viel Arbeit anfalle. Früher mehr Hilfe möglich Deshalb könne das Gericht nicht alles leisten, was gewünscht werde. „Manche Leute kommen mit Formularen, bei deren Ausfüllung ihnen früher von den Notaren geholfen wurde – wir sagen ihnen, dass sie es einfach mal versuchen sollen, sie auszufüllen, und wir uns melden, wenn was falsch ist.“
Die Dezentralisierung brachte mit sich, dass Leute, die zuvor eine Anlaufstelle hatten, sich bisweilen nun an mehrere Stellen, auch in verschiedenen Orten, wenden müssen. Wolf: „Für manche war es durch die Zentralität früher einfacher.“Er weist jedoch darauf hin, dass zum Beispiel in „sämtlichen Gemeinden Grundbucheinsichtsstellen eingerichtet“seien. „Ja“zu Spaichingen und Horb Der Justizminister will sich nach dem Besuch sämtlicher Landgerichte nun alle 108 Amtsgerichte in Baden-Württemberg anschauen. „Das Land hält an der Dezentralität fest“, signalisierte er „ein klares Ja“zu kleineren Standorten wie Spaichingen oder Horb. Das Spaichinger Amtsgericht sei „sehr gut ausgestattet und räumlich, etwa durch den Anbau mit den Sitzungssälen, in einem guten Zustand“. Wolf: „Im Vergleich mit anderen Amtsgerichten ist Spaichingen gut aufgestellt.“ Sehen Sie ein Video zu den Umbauten unter www.schwaebische.de/ sicherheit-amtsgericht