Technologieaktien im freien Fall
Wachstumssorgen belasten die Aussichten der einstigen Zugpferde an den Börsen
FRANKFURT - In dieser Woche sind Börsenindizes wie der deutsche Leitindex Dax auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Nach unten gezogen haben die Kurse an den Aktienmärkten vor allem der Einbruch der Börsenschwergewichte in den USA. Facebook etwa, Apple, Amazon, Netflix oder Google, kurz: Die sogenannten FAANG-Aktien. Wir antworten auf die wichtigsten Fragen rund um den Kursverfall.
Warum sind die Kurse der Technologieriesen derart in den Keller gerauscht? Vorausgegangen war eine lange Phase steigender Kurse – bis in den frühen Herbst hinein. In dieser Zeit dominierten die Erwartungen über das schier grenzenlose Wachstumspotenzial von Überfliegern wie Facebook, Netflix, Google, Apple oder Amazon.
Im August hatte Apple als erstes Unternehmen überhaupt die Marke von einer Billion US-Dollar an Börsenwert geknackt, Amazon ist Apple im September gefolgt. Es ist keine Seltenheit, dass nach solchen Höhenflügen Anleger ihre Gewinne realisieren und Aktien verkaufen – was zu Kettenreaktionen führen kann, die den Abwärtstrend verstärken. Etliche Technologieaktien, die die Hausse der vergangenen Monate und Jahre getragen haben, notieren inzwischen 20 Prozent unter ihren Höchstständen – eine für Börsianer wichtige Marke, denn sie trennt eine Korrektur von einer Baisse.
Warum weht ausgerechnet den Technologieunternehmen starker Wind entgegen? Weil auch bei ihnen irgendwann die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Facebook hat mittlerweile rund 2,3 Milliarden Nutzer, viel mehr geht nicht, zumindest nicht schnell.
Auch im Smartphone-Markt lässt das Wachstum nach. Denn während sich in den vergangenen Jahren viele Menschen zum ersten Mal ein Smartphone gekauft haben, besitzen die meisten mittlerweile eines – auch hier wachsen die Bäume also nicht mehr in den Himmel. Meldungen, wonach Apple in den vergangenen Wochen die Produktionsaufträge für seine iPhone-Modelle gesenkt habe, zeigen, dass die Befürchtungen nicht unbegründet sind.
Amazon kam im Frühherbst auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 100 – oder anders ausgedrückt: Für einen US-Dollar erwarteten Gewinn mussten Anleger an der Börse 100 US-Dollar investieren. So etwas kann funktionieren, solange die Wachstumsaussichten ungetrübt sind. Allerdings hatte Amazon jüngst die Erwartungen für das wichtige Weihnachtsquartal enttäuscht. So kam es zu einem Ausverkauf, der sich in den vergangenen Tagen noch einmal beschleunigt hat: Seit Anfang Oktober haben Papiere von Amazon rund ein Viertel ihres Wertes verloren.
Am Mittwoch haben sich die Kurse hierzulande wieder etwas erholt – ein Hoffnungsschimmer? Das kann man so sehen. Allerdings ist es nach solch starken Verlusten wie zu Wochenbeginn auch nichts Ungewöhnliches, dass einige Anleger bei niedrigen Kursständen eine gute Kaufgelegenheit sehen. Nur: In den vergangenen Wochen hat es mindestens zweimal kurze Erholungen gegeben – trotzdem sind die Kurse dann weiter gefallen. „Die Schnäppchenjäger haben sich in diesem Jahr bereits zweimal die Finger verbrannt und wollen das sicher nicht ein weiteres Mal riskieren“, sagt Neil Wilson, Chef-Analyst des Onlinebrokers Markets.com. Mit anderen Worten: Beobachter zweifeln, ob kurze Gegenreaktionen in Form steigender Kurse den längeren Trend fallender Kurse aktuell aufhalten können.
Sind auch deutsche TechnologieAktien betroffen? Wenn die großen FAANG-Aktien in Amerika Federn lassen, geht das weder an den Technologiewerten noch insgesamt am deutschen Aktienmarkt spurlos vorbei. Hierzulande betrifft das etwa den Dax-Neuaufsteiger und Bezahldienstleister Wirecard: Seit ziemlich genau einem Monat sind Wirecard-Aktien rund 25 Prozent eingebrochen. Auch sie hatten kurz zuvor neue Rekordmarken erklommen.
Papiere des Chipherstellers Infineon haben in den vergangenen Monaten ebenfalls fast ein Viertel ihres Wertes verloren. Beim Softwarehersteller SAP belaufen sich die Wertverluste der Aktien in den vergangenen Wochen auf etwas unter 20 Prozent.
Wie weit könnte es noch nach unten gehen an den Börsen? Das kann natürlich niemand vorhersagen. Die Chance, dass der Wind wieder dreht, ist da. Allerdings sind die Risiken nach wie vor immens: Handelskonflikte, Brexit, der Haushaltsstreit mit Italien, nachlassende Unternehmensgewinne, eine schwächelnde Konjunktur und steigende Zinsen in den USA sind ein Cocktail, der Anlegern jederzeit ernsthafte Sorgen bereiten kann.