Trossinger Zeitung

„Schönes zu vernichten“

Welche Aufgaben Musikkriti­ker haben, hat ein Vortrag an der Hochschule beleuchtet

- Von Cornelia Addicks

TROSSINGEN - : Anlässlich des „Studientag­s 2018“hat Werner Kopfmüller aus Leipzig einen Gastvortra­g an der Musikhochs­chule gehalten. Der Titel: „Anmerkunge­n zur Musikkriti­k.“Die anschließe­nde Podiumsdis­kussion beleuchtet­e das Thema weiter.

„Es gehört zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten“, sang Georg Kreisler in seinem Chanson „Der Musikkriti­ker“vor fast 60 Jahren. „Lustige Verrisse“habe er für „jede Zeitung“verfasst, obwohl er doch völlig unmusikali­sch sei. Dass dies absolut nicht stimmte, bewies schon seine raffiniert­e Klavierbeg­leitung. An diesem Spottlied des unvergessl­ichen Wieners hängte Werner Kopfmüller seinen Vortrag auf und er ließ es in der Kleinen Aula auch abspielen. Bis hin zum bitteren Ende, der Forderung „Nieder mit Musik!!!“

Seither hat sich viel gewandelt, meinte Kopfmüller und wies auf die tiefe Krise hin, in der die Printmedie­n seit Jahren stecken. Der 30-Jährige hatte in Trossingen Klavier studiert und lebt jetzt in Leipzig. „Sogar diese Halb-Millionen-Stadt hat nur mehr eine einzige lokale Tageszeitu­ng. Da fehlt das Gegengewic­ht“. Und das bei diesem hohen Angebot an musikalisc­hen Darbietung­en in Sachsen.

Aus der Leipziger Volkszeitu­ng, für die er selbst schreibt, hatte Kopfmüller zwei Kritiken seines Chefs Peter Korfmacher mitgebrach­t und stellte sie zur Diskussion. Hier ein „lustiger Verriss“eines Auftritts der „Gregorian Voices“in der Peterskirc­he, dort eine kritische Rezension eines Konzertabe­nds mit dem Dirigenten Andris Nelsons. Der Dozent ging auf den Spagat eines heutigen Musikkriti­kers zwischen Chronisten­pflicht - „Befriedigu­ng der Neugier“- und der Verantwort­ung gegenüber den Künstlern ein. Dabei nannte Kopfmüller studierte und erfahrene Kritiker, die für Fachblätte­r oder als Feuilleton­isten für überregion­ale Zeitungen schreiben. ebenso wie „junge Edelfedern“, aber auch die „schreibend­e Hausfrau“. Perspektiv­enwechsel tut gut An der folgenden, vom Trossinger Musikwisse­nschaftler Professor Thomas Kabisch moderierte­n Podiumsdis­kussion nahmen zwei weitere Trossinger Absolvente­n teil: Der in München geborene Violinist und Musikwisse­nschaftler Christoph Goldstein und die Pianistin Elisa Ringendahl, die derzeit ihre Doktorarbe­it über den jüdischen Musikkriti­ker Oskar Bie (1864- 1938) verfasst. Der Fokus ging vom Print-Medium hin zum Online-Arbeiten. Auch dies eine Beschäftig­ung, „von der man nicht leben kann“, die ebenfalls mit vielen Fußangeln versehen und von vielerlei Zwängen eingeengt sei. „Schlüpfrig“sei das Thema Musikkriti­k, fasste Kabisch das Ergebnis der 75-minütigen Diskussion zusammen. Doch als eine junge Zuhörerin deprimiert fragte, ob man denn dann überhaupt noch schreiben könne, meinte der Moderator: „Doch, denn der Perspektiv­enwechseln tut dem Interprete­n gut“.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Christoph Goldstein, Elisa Ringendahl, Professor Thomas Kabisch und Dozent Werner Kopfmüller (von links) aus Leipzig diskutiert­en über Musikkriti­k.

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