Trossinger Zeitung

Panne wirbelt Merkels Pläne durcheinan­der

Kanzlerin verpasst G20-Auftakt – Debatte über die Sicherheit der Regierungs­flugzeuge

- Von Andreas Herholz und Markus Sievers

BERLIN/BUENOS AIRES (dpa/AFP) Als Krisenmana­gerin erwartet, von einer Panne ausgebrems­t: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nach einem technische­n Defekt an ihrer Regierungs­maschine erst mit zwölfstünd­iger Verspätung beim G20-Gipfel in Argentinie­n angekommen. Beim Auftakt in Buenos Aires fehlte sie. Ein für Freitag geplantes Treffen mit US-Präsident Donald Trump musste auf Samstag verschoben werden, eines mit Chinas Präsident Xi Jinping kam zunächst nicht zustande. Das Frühstück am Samstagmor­gen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin findet wie geplant statt.

Nach dem kompletten Ausfall der Funkanlage hatte Merkels Maschine, der Airbus „Konrad Adenauer“, am späten Donnerstag­abend nach einer knappen Stunde Flugzeit umkehren und auf dem Flughafen Köln/Bonn notlanden müssen. Merkel sprach von einer „ernsthafte­n Gefahr“. Die Maschine musste über den Niederland­en umdrehen. Da auch das System zum Ablassen von Kerosin betroffen war, landete der Airbus A340 mit noch fast der gesamten Kerosinlad­ung an Bord. Die Maschine war damit so schwer, dass die Bremsen überhitzte­n. Der „Spiegel“schrieb, nur mit dem Satelliten­telefon an Bord sei es der Crew gelungen, Kontakt zur Flugleitst­elle aufzunehme­n. Die Situation sei so brenzlig gewesen, dass Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) schon nach dem Komplettau­sfall der Funkanlage informiert wurde.

Am Freitag setzte Merkel ihre Reise zunächst mit einer Maschine der Flugbereit­schaft nach Madrid fort, um von dort mit einem Linienflug weiter nach Buenos Aires zu reisen. Am Dinner der Staats- und Regierungs­chefs im legendären Teatro Colón nahm die 62-Jährige dann teil.

Ursache für die Panne war nach Angaben der Flugbereit­schaft der Ausfall eines Bauteils, einer elektronis­chen Verteilerb­ox. Oberst Guido Henrich, Kommandeur der Flugbereit­schaft der Luftwaffe in Köln, sagte auf die Frage, welches Gefahrenpo­tenzial der Vorfall gehabt habe: „Keins.“Berichten über mögliche Sabotage, einen „kriminelle­n Hintergrun­d“, trat er entgegen. Das Bauteil sei tief im Flugzeug verbaut und schwer zugänglich. Die Frage, wie es zu einem solchen Schaden kommen konnte, blieb jedoch unbeantwor­tet.

Die Regierung warnte vor einer Überbewert­ung des Zwischenfa­lls. Dennoch entbrannte eine Diskussion über die Sicherheit der Flugzeuge der Bundesregi­erung, da es zuletzt bereits mehrere Pannen mit der „Konrad Adenauer“gegeben hatte.

BERLIN - Eine kaputte Funkanlage im Regierungs-Airbus, eine heikle Notlandung in Köln/Bonn, eine Ersatzmasc­hine ohne Crew und am nächsten Morgen in aller Frühe ein Linienflug mit Iberia von Spanien aus – auf dem Weg zum G20-Gipfel in Argentinie­n ging für Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) vieles schief. Eine schwere technische Panne mit politische­n Konsequenz­en: Durch die massive Verspätung fehlte die deutsche Regierungs­chefin nicht nur beim Auftakt des Treffens und verpasste die Aufnahmen zum Gruppenfot­o. Auch wichtige Gespräche unter anderem mit US-Präsident Donald Trump und dem chinesisch­en Präsidente­n Xi Jingpin musste Merkel zunächst absagen. Es ist nicht der erste Zwischenfa­ll mit einem Regierungs­flieger. Und so nimmt die Debatte Fahrt auf, ob sich die Bundesrepu­blik als reiches Hochtechno­logie-Land nicht eine bessere Regierungs­flotte leisten sollte. Funksystem funktionsu­nfähig Donald Trump, Wladmir Putin und Emmanuel Macron waren schon lange in Buenos Aires zum Gipfel der G20 angekommen, als Merkel noch mit Iberia nach Südamerika unterwegs war. Dabei konnte sie froh sein, dass sie und ihre Delegation am Donnerstag­abend heil aus dem Regierungs-Airbus „Konrad Adenauer“hatten aussteigen können. „Es war eine ernsthafte Störung“, sagte Merkel in ihrer nüchternen Art, als sie die defekte Kanzler-Maschine verlassen hatte. Nach dem glimpflich­en Ausgang bedankte sie sich bei der Mannschaft und vor allem bei dem Piloten: Das Kommando habe „der erfahrenst­e Kapitän der Flugbereit­schaft“gehabt, so Merkel. Daraus spricht die Erleichter­ung darüber, dass nichts Schlimmere­s passiert war. Eine elektronis­che Verteilerb­ox hatte den 20 Jahre alten Flieger, vor Jahren von der Lufthansa ausgemuste­rt und an den Staat verkauft, lahmgelegt. „Das war der klassische Ausfall eines Bauteils, wie er heute jederzeit passieren kann“, sagte gestern Guido Henrich, Kommandeur der Flugbereit­schaft der Luftwaffe. Eine ernsthafte Gefahr habe nicht bestanden. Doch die Störung reichte, um das Funksystem und andere elektronis­che Anlagen funktionsu­nfähig zu machen. Obwohl die Maschine vollgetank­t war für die Überquerun­g des Atlantiks und damit für eine normale Landung Übergewich­t hatte, entschied sich der Pilot zu einer Notlandung in Köln/ Bonn. Unter diesen Umständen kein einfaches Manöver. Tatsächlic­h liefen laut Henrich die Bremsen heiß, ohne aber zu versagen.

Damit war das Debakel für Merkel nicht beendet. Der zweite Airbus 340 der Luftwaffe stand zwar an seinem Heimatflug­hafen Köln-Bonn bereit. Doch die Besatzung war schon so lange im Einsatz gewesen, dass sie den zusätzlich­en, gut zehnstündi­gen Flug nach Südamerika aus Sicherheit­sgründen nicht mehr antreten durfte. Und so mussten Merkel und Scholz in Bonn in einem Hotel übernachte­n und am nächsten Morgen mit einer anderen Regierungs­maschine nach Madrid reisen, von wo aus es weiterging. Aus Platzgründ­en ließ Merkel nicht nur ihren Ehemann Joachim Sauer in Deutschlan­d zurück, sondern auch viele Beamte und Journalist­en.

Nur zwei Prozent der Regierungs­flüge fielen aus, erklärte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums. Da die Flotte aber so klein sei, falle jeder Defekt besonders auf. Kritik kommt von FDP und Grünen. „Wir hören immer wieder, dass Luftfahrze­uge der Flugbereit­schaft ausfallen. Es stellt sich die Frage, ob und warum die Flugzeuge der Flugbereit­schaft häufiger ausfallen als im zivilen Betrieb“, erklärte Tobias Lindner, Haushaltsu­nd Wehrexpert­e der Grünen-Fraktion im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Es muss geprüft werden, ob die Wartungspr­ozesse bei der Flugbereit­schaft angemessen gestaltet sind und funktionie­ren.“Es wundere ihn auch, dass man zwar eine Ersatzmasc­hine in Berlin vorgehalte­n habe, aber kein Personal, das diese dann bedienen könnte.

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FOTO: DPA Unfreiwill­ige Zwangspaus­e: Kanzlerin Merkel in Köln.
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FOTO: DPA Der Airbus A340 „Konrad Adenauer“der Luftwaffe ist seit Frühjahr 2011 Teil der Flugbereit­schaft der Bundeswehr. Zuvor hatte die Lufthansa den Airbus A340 mehr als zehn Jahre im Passagierb­etrieb.

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