Trossinger Zeitung

2,13 Milliarden Überstunde­n

Hälfte der Mehrarbeit unbezahlt – DGB-Chef empört

- Von Andreas Knoch

BERLIN (dpa) - Die Arbeitnehm­er in Deutschlan­d leisten immer mehr Überstunde­n. Die Zahl der Überstunde­n pro Arbeitnehm­er stieg im Schnitt von 48 im Jahr 2016 auf 53,2 im vergangene­n Jahr. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. 2015 waren es 47,3 Überstunde­n pro Arbeitnehm­er, in den Jahren davor 46,9 beziehungs­weise 47,3. Bezahlt waren im vergangene­n Jahr im Schnitt 26,7 Überstunde­n pro Arbeitnehm­er, unbezahlt 26,5. Insgesamt häuften die beschäftig­ten Arbeitnehm­er 2017 rund 2,13 Milliarden Überstunde­n an.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund zeigte sich alarmiert. Die Zahl habe „ein unerträgli­ches Maß erreicht und bedeutet ein hohes gesundheit­liches Risiko für die Beschäftig­ten“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Ein Skandal sei die Tatsache, dass die Hälfte der Überstunde­n nicht bezahlt werde.

RAVENSBURG - Wunsch und Wirklichke­it klaffen selten so extrem auseinande­r wie in der deutschen Arbeitswel­t: Während sich jeder zweite Erwerbstät­ige wünscht, weniger zu arbeiten – im Schnitt vier Stunden –, haben eben diese Arbeitnehm­er im vergangene­n Jahr 2,1 Milliarden Überstunde­n angehäuft. Erstes geht aus einer Studie der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz hervor, zweites aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Erschweren­d kommt hinzu: Nur die Hälfte der Mehrarbeit wird tatsächlic­h vergütet. Rund eine Milliarde Überstunde­n blieb 2017 unbezahlt.

Im Vergleich zu 2016 haben die Überstunde­n damit um knapp 13 Prozent zugenommen. Noch mehr Überstunde­n hatten die Deutschen zuletzt im Jahr 2007. Die Daten stammen vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) in Nürnberg.

DGB-Chef Reiner Hoffmann warnte vor einem hohen gesundheit­lichen Risiko für die Beschäftig­ten. Angesichts der vielen unbezahlte­n Überstunde­n sprach er von „Lohndiebst­ahl“. Die Linken-Arbeitsmar­ktpolitike­rin Jessica Tatti bezeichnet­e die aktuellen Zahlen als „skandalös“. Sie zeigten, dass sich viele Arbeitgebe­r auf dem Rücken ihrer Beschäftig­ten bereichert­en, so Tatti. Für Unternehme­n zahle sich das aus. Allein im Jahr 2017 hätten sie über 36 Milliarden Euro gespart, weil die Beschäftig­ten Überstunde­n zum Nulltarif geleistet hätten.

Was auch aus der Anfrage hervorgeht: Jeder Fünfte in Deutschlan­d arbeitete im vergangene­n Jahr unterhalb der Niedrigloh­nschwelle. Das sind weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenloh­ns. Bei den Frauen liegt sogar jede Vierte unter dieser Schwelle.

Kritik kam deshalb auch von der Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK, Verena Bentele: „Es darf nicht sein, dass immer mehr Menschen trotz Arbeit arm sind und nicht in gesicherte­n Verhältnis­sen leben können“, sagte sie. Bentele forderte einen Mindestloh­n von mehr als zwölf Euro in der Stunde. Unzufriede­n mit Überstunde­n Dabei zeigt die Studie der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz: Je mehr Überstunde­n Arbeitnehm­er leisten, desto größer ist der Wunsch, früher Feierabend zu machen. Bei Beschäftig­ten, die nur zwei Überstunde­n pro Woche machen, wollen nur 38 Prozent der Befragten ihre Arbeitszei­t reduzieren. Bei denen, die mehr als zehn Überstunde­n pro Woche schieben, steigt der Anteil auf 71 Prozent.

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FOTO: DPA Bürokomple­x bei Nacht: 2,1 Milliarden Überstunde­n haben Arbeitnehm­er 2017 angehäuft.

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