Zwischen Reform und Tradition
Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst wird am Sonntag 70 Jahre alt
STUTTGART - Gebhard Fürst gilt als moderner Bischof: Mit einem klaren Bekenntnis zum Frauendiakonat meldet er sich in der Debatte um Weiheämter für Frauen regelmäßig zu Wort. Er hat das ehemalige Benediktinerkloster im oberschwäbischen Weingarten für Flüchtlinge geöffnet. Sein Bistum RottenburgStuttgart setzt auf umweltfreundliche Standards. Er selbst hat auf dem Bischofshaus schon vor Jahren eine Photovoltaikanlage installieren und nebenan eine Schmetterlingswiese anlegen lassen. Und Fürst selbst, er ist schließlich Medienbischof, nutzt Facebook und twittert: So können Gratulanten am Sonntag, dem 70. Geburtstag des württembergischen Oberhirten, ihre Glückwünsche auch posten.
Während des Festtages, den Fürst in seiner Bischofsstadt Rottenburg am Neckar feiert, dürften aber auch die Probleme zur Sprache kommen, die er zu bewältigen hat und die ihn zum Spagat zwischen Reform und Tradition zwingen. Zuletzt stand er in der Kritik, weil er ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten in Ravensburg untersagte. Als Bischof muss er auf die Einhaltung der katholischen Lehre achten, will keine römisch-katholischen Positionen aufgeben. Die persönliche Freundschaft, die Fürst und den evangelischen Landesbischof Frank Otfried July verbindet, hält diese Spannungen offenbar gut aus.
Kurz vor seinem Geburtstag hat der Jubilar nach eigenen Worten angesichts des Missbrauchsskandals die „dunkelsten Stunden“seines Lebens erlebt: „Weil ich mir sowas in unserer Kirche nicht habe vorstellen können.“Nie habe ihn etwas so aufgerüttelt und schockiert.
Fürst hat früh reagiert, früher als viele andere Bischöfe: Die Diözese Rottenburg-Stuttgart war bundesweit Vorreiter bei der Aufarbeitung. Vor 16 Jahren wurde die Kommission sexueller Missbrauch eingerichtet. Fürst erfüllt persönlich jeden Gesprächswunsch: „Jeder einzelne Fall zeigt, wie es Menschen verändert, die einem sexuellen Missbrauch zum Opfer gefallen sind und die meist ein Leben lang darunter leiden.“
Gebhard Fürst wird am 2. Dezember 1948 als jüngstes von drei Kindern im schwäbischen Bietigheim geboren. Der Vater ist Gärtner, die Mutter Hausfrau. Fragen der Religion hätten ihn schon sehr früh beschäftigt, erzählt der Jubilar. Ein kleiner Mönch aus „Das Leben des Galilei“, der immer alles habe wissen wollen, habe ihn auch ein Stück weit dazu gebracht, Theologie studieren zu wollen. 1977 wird er zum Priester geweiht.
Nach einigen Jahren in der Seelsorge wird Fürst 1986 Direktor der Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart. Er repräsentiert seine Kirche im anspruchsvollen Umfeld zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft so geschickt, dass er vom Domkapitel gewählt und von Papst Johannes Paul II. zum Nachfolger von Walter Kasper ernannt wird. Kasper war 1999 in den Vatikan berufen worden. Im September 2000 wird Fürst zum Bischof geweiht.
Heute ist er nach dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode der am längsten amtierende Ortsbischof Deutschlands und steht mehr als 1,8 Millionen Katholiken in der viertgrößten deutschen Diözese vor. Differenzierter Blick auf Bioethik In der Öffentlichkeit meldet sich Fürst, einer der wenigen Theologen mit eigenem Profil in der Bischofskonferenz, vor allem dann pointiert zu Wort, wenn es um Fragen der Bioethik geht. Er differenziert: Die Forschung an Stammzellen von Embryonen verwirft er. Auch gegen Bluttests für Schwangere zum Erkennen möglicher Behinderungen des ungeborenen Kindes hat er Vorbehalte, weil hier „bereits im Mutterleib ausgesondert“werde. Die Früherkennung von Krankheiten aber könnte ein Segen sein.
„Gesund und munter zu bleiben“, wünscht er sich. Damit er fünf weitere Jahre in den Dienst der Diözese stellen kann, denn mit 75 Jahren müssen Bischöfe ihren Rücktritt anbieten. „Die katholische Kirche hat derzeit leider nicht das beste Image. Aber, wenn ich das mal so sagen darf: Wir tun schon einiges an Gutem.“Dies sichtbarer zu machen, „daran möchte ich gerne noch ein bissl arbeiten.“Die Chance auf die große Bühne hat er noch: zum Beispiel beim Katholikentag 2022 in Stuttgart.