Groovender Barock
Christina Pluhar und L’Arpeggiata begeistern mit ihrem Programm „Händel goes wild“in Friedrichshafen
FRIEDRICHSHAFEN - Barockmusik begeistert inzwischen viele Menschen. Dazu haben Musikerinnen wie die österreichische Lautenistin Christina Pluhar in den letzten Jahren kräftig beigetragen. Ihre zahlreichen preisgekrönten CD-Aufnahmen holen die Zeit des Frühbarock heran, im Live-Konzert erlebt man zudem, wie der fruchtbare Austausch zwischen den Musikern immer wieder weitergeht.
Mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata war die gebürtige Grazerin, die bei den Meistern der alten Musik in Holland studierte und seit vielen Jahren in Paris lebt, am Donnerstag im ausverkauften kleineren Saal des Graf-Zeppelin-Hauses zu Gast: an ihrer Seite Altmeister Gianluigi Trovesi mit seinem unverwechselbaren Klarinettenklang, der Countertenor Valer Sabadus und die Sopranistin Céline Scheen mit ihren wunderbar beweglichen Stimmen. Das durchkomponierte Programm von gut eineinhalb Stunden vereinte Arien, Instrumentalstücke und Duette von Händel und brachte mit seinen verblüffenden Wanderungen zwischen Barock und Jazz das Publikum zum Jubeln.
Mit Cembalo, Truhenorgel, Konzertflügel, Streichern, Schlagwerk, Zink, Klarinette und natürlich Christina Pluhars langhalsiger Theorbe, der Basslaute, ist das Podium dicht bestückt, die Ensembleleiterin mit den tizianroten Haaren sitzt mit dem Rücken zum Publikum, hält die Verbindung mit ihren Musikern. So in sich ruhend, wie sie musiziert, geht doch große Energie von ihr aus. Ein internationales Ensemble von Barockmusikern und Jazzern hat Christina Pluhar um sich geschart, das die große Kunst der Improvisation beherrscht und diese voll Lust und Spielfreude auslebt. Grenzen zwischen „alter“und „neuer“Musik sind aufgehoben, Jahrhunderte schnurren zusammen, gemeinsame Wurzeln von Generalbass und Jazzimprovisation lassen Funken sprühen.
Da fegt die „Königin von Saba“mit wummernden Bässen herein, als hätten sich Lauten und Gamben in EGitarren verwandelt, liefern sich Gianluigi Trovesi auf seiner frech klingenden Klarinette und Doron Sherwin auf dem so schwer anzublasenden Zink einen brillanten Wettstreit. Der Tiroler Perkussionist Tobias Steinberger bedient sowohl die archaische Rahmentrommel als auch ein mit sanft wischenden Reisigbesen angespieltes Drum Set. Zusammen mit dem Italiener Francesco Turrisi am Flügel und Boris Schmidt, der mit seinem Bass zu tanzen scheint, bildet er ein sozusagen traditionelles Jazz-Trio. Christina Pluhar und L’Arpeggiata mit den silbrigen Barockstreichern und Theorben klingen vielseitiger und jazziger denn je und bleiben doch auch ganz nah an Händels Original. Verblüffende Verbindungen Mit der belgischen Sopranistin Céline Scheen und dem aus dem Banat stammenden Countertenor Valer Sabadus sind dazu zwei ebenso flexible und farbenreiche Stimmen zu erleben, die die Affekte der Händel-Figuren mit Hingabe zum Leben erwecken.
Immer wieder finden das Ensemble und die Sänger verblüffende Übergänge zwischen Barock und Jazz, wenn sie die Verzierungen und Wiederholungen mit Farben anreichern, hineingleiten in einen groovenden Rhythmus, der doch gar nicht weit weg ist von Händels italienischen Opern .
Mit dem so innigen Duett „Pur ti miro“aus Monteverdis „L‘incoronazione di Poppea“verabschiedeten sich die Künstler – am 375. Todestag des Komponisten war das eine vollendete Reverenz!