Gemeinsam stark
Teamfähigkeit und selbstständiges Arbeiten werden heute von Mitarbeitern verlangt – Wie passt das zusammen?
ie Zeiten ändern sich. Bei der Einstellung von Mitarbeitern zählen die sogenannten weichen Faktoren inzwischen genauso wie die harten. Fachliche Expertise und soziale Kompetenzen werden gleich hoch bewertet. Um herauszufinden, welche Soft Skills den Firmen am wichtigsten sind, hat der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister im diesem Frühjahr rund 750 000 Stellenangebote analysiert. „Verantwortungsbewusstsein und Teamfähigkeit als die beiden zentralen sozialen Kompetenzen verdeutlichen die große Spannbreite an Erwartungen, die Arbeitgeber an ihre Mitarbeiter richten“, so Julia Große-Wilde, Geschäftsführerin des Verbands. Die breite Erwartungshaltung zeigt sich insbesondere darin, dass die Unternehmen von ihren Mitarbeitern Teamgeist erwarten, gleichzeitig aber voraussetzen, dass sie selbstständig arbeiten. Immer schnellere Arbeitsprozesse In den letzten Jahren hat der Anteil von Teamarbeit in der Arbeitsorganisation massiv zugenommen. Das liegt vor allem daran, dass das Tempo von Arbeitsprozessen und die Komplexität der Aufgaben gestiegen sind. Zur Lösung solcher Aufgaben ist Teamarbeit als eine Grundarbeitsform ziemlich erfolgreich. In funktionierenden Teams würden so schneller Lösungen generiert, und Teamarbeit helfe bei komplexen Aufgaben, in denen unterschiedliche Expertisen notwendig seien, sagt Guido Hertel, Professor für Organisationsund Wirtschaftspsychologie an der Uni Münster. Es erklärt, weshalb diese Form der Arbeitsorganisation so populär ist und es sicher in den nächsten Jahren auch bleiben wird.
„Der Kern ist die gemeinsame Zielsetzung, die dann auch Koordination und Kommunikation erfordert, aber auch Konflikte mit sich bringen kann“, sagt Hertel. In Teams muss sich jeder zurücknehmen. Andererseits brauchen Teams Initiative und ein Management oder Selbstmanagement, um zu funktionieren. Die Flexibilität von Teams kommt dann zum Tragen, wenn einzelne Mitglieder Verantwortung übernehmen.
Teamfähigkeit und selbständiges Arbeiten schließen sich nach Meinung des Professors nicht aus, denn „Teams leben davon, dass sie eigenverantwortlich handeln, selbstständig Probleme erkennen, Aufgaben strukturieren und diese selbstständig angehen“. Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme durch den Einzelnen sind zentrale Aspekte von Teamfähigkeit. Die Zusammensetzung der Teams hängt von der jeweiligen Aufgabe ab und von den Anforderungen, die entsprechend dieser Aufgabe an die Qualifikation der Mitglieder gestellt werden. „Wenn es darum geht, neue Produkte zu entwickeln, braucht man innovative Mitglieder. Wenn es darum geht, einen Produktionszyklus abzuarbeiten, dann ist Innovation nicht unmittelbar gefragt“, unterscheidet Hertel.
Dass Menschen mit technischen Berufen, allen voran Informatiker, wenig teamfähig sind, ist für ihn ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Dabei gibt es keinerlei Daten aus der Forschung, die bestätigen, dass MINT-Mitarbeiter weniger soziale Kompetenzen haben als andere Beschäftigte. „Was man sicherlich sagen kann, ist, dass Interesse und Spaß an Kommunikation Teamfähigkeit begünstigt.“Ingenieure etwa sind aufgrund ihrer Ausbildung oft eher sachorientiert, nüchtern und verlieren sich nicht wortreich in langen Gesprächen. Dadurch ist ihre Kommunikation meist sehr effizient. Frauen laut Studien kooperativer In verschiedenen wissenschaftlichen Studien ist belegt, dass Frauen eine stärkere kooperative Grundeinstellung haben als Männer. Von den Rollenbildern her sind Männer auf Wettbewerb getrimmt, Frauen eher unterstützend und kooperativ ausgerichtet. „Das sind aber Trends, keine absoluten Merkmale. Daraus lässt sich nicht schließen, dass Männer weniger teamfähig sind“, schränkt der Professor die Erkenntnisse aus den Untersuchungen ein.
Ein aktuell moderner Teamansatz ist Design Thinking. Diese Managementmethode stammt aus der Produktentwicklung und der Informatik und zeichnet sich durch hohen Pragmatismus und rasches Entwickeln eines Prototypen aus. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass die Nutzer schon früh mit ihren Anforderungen einbezogen werden. Dabei werden unterschiedliche Leute in einem interdisziplinären Team zusammengebracht, um innovativere Ideen als in konventionellen Teams zu entwickeln. „Das funktioniert eigentlich auch, wenn eine Reihe von Fallen ausgeschlossen wird, die übrigens dieselben sind wie in jeder anderen Form von Teamarbeit“, weiß Hertel. Zu den Fallen gehört, dass starke Meinungsführer im Team die Ideen anderer Teammitglieder unterdrücken, etwa weil sie nicht offen und richtig kommunizieren oder weil sie Konflikte vermeiden wollen. Um das kreative Potenzial einer Gruppe nutzen zu können, gibt es daher einige Regeln, die Teams generell beachten sollten. Konflikte aushalten lernen Ob ein Team einen Manager braucht, hängt von den Kompetenzen der Mitglieder ab. „Bei unerfahrenen Personen empfiehlt sich eine klare Führungsstruktur“, sagt Hertel. Erfahrene und selbstreflektierte Teammitglieder, die Teamprozesse kennen und wissen, dass man in Teams auch mal Konflikte aushalten muss, um wirklich innovative Lösungen zu finden, brauchen keinen Manager. Hier ist jedoch eine klare Aufgabenund Rollenverteilung hilfreich, etwa wer sich darum kümmert, dass alle einbezogen werden. Oder auch darum, dass das Team sich nicht zu früh auf eine vermeintlich gute Lösung stürzt und andere, vielleicht viel bessere Lösungen übersieht.