So handeln Autofahrer nach einem Unfall richtig
Nicht immer muss die Polizei gerufen werden – Warnung vor einem Schuldeingeständnis
ach einem Unfall sind viele unsicher, wie sie vorgehen sollen. Die Polizei rufen, die Sache selbst regeln, sofort die Versicherung informieren, Schmerzensgeld fordern? So handeln Autofahrer richtig.
Auf Deutschlands Straßen sind immer mehr Autos unterwegs, und immer öfter kracht es auch. Laut Statistischem Bundesamt waren 2017 bereits 57,6 Millionen Autos gemeldet, und die Zahl der polizeilich erfassten Unfälle stieg auf gut 2,6 Millionen, rund 58 000 mehr als im Vorjahr. Statistisch gesehen hat die Polizei damit alle zwölf Sekunden einen Verkehrsunfall aufgenommen. Allerdings geben die Zahlen keine Auskunft darüber, in wie vielen Fällen die Polizei gar nicht hätte ausrücken müssen. Denn wirklich notwendig ist die Präsenz der Ordnungshüter nicht immer.
„Wenn niemand verletzt wurde und der Schaden überschaubar ist, benötigt man in der Regel keine Polizei“, sagt Mathias Zunk vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Wenn hingegen ganz offensichtlich Alkohol oder Drogen im Spiel seien, es Verletzte gebe oder der Unfallhergang streitig sei, sollte die 110 angerufen werden. Straße möglichst schnell räumen Zu den Fehlern, die Beteiligte beim Absetzen des Notrufs begehen, zählt das unbeabsichtigte Unterschlagen wichtiger Informationen, sagt Gerrit Reichel vom Automobil-Club Verkehr (ACV). „Zunächst sollten Unfallbeteiligte der Notrufzentrale den genauen Ort und die Anzahl der beteiligten Personen mitteilen und dann Informationen darüber, ob jemand verletzt ist.“
Ist die Sachlage eindeutig, muss die Fahrbahn möglichst schnell geräumt werden, damit der Verkehr fließen kann. „Bei Bagatellunfällen gibt es keinen Grund, die Straße zu blockieren, bis die Polizei eintrifft. Wer sich daran nicht hält, muss sogar mit einer Geldbuße rechnen“, sagt Tobias Goldkamp, Fachanwalt für Verkehrsrecht. Zuvor jedoch gilt es, Fotos zu machen, die den Unfall gut aus verschiedenen Perspektiven dokumentieren. Hilfreich außerdem laut Zunk: die Positionen der Fahrzeuge mit Kreide zu umreißen, bevor sie weggefahren werden. „Das erleichtert möglicherweise die anschließende Erstellung des Unfallprotokolls.“
In dieses Protokoll gehören die Kennzeichen der beteiligten Fahrzeuge sowie die Namen und Adressen der Fahrer. Am besten eigne sich dafür der europäische Unfallbericht, der bei nahezu allen Versicherungen und Automobilclubs erhältlich sei und heruntergeladen werden könne, so Zunk. Auch eine Skizze und die Schilderung des Geschehenen sollten im Protokoll nicht fehlen.
Ein Schuldeingeständnis hat nichts in diesem Schriftstück verloren. „Wer am Ende für welchen Schaden aufkommt, hängt nicht nur vom Sachverhalt, also vom Unfallhergang ab, sondern auch von seiner rechtlichen Bewertung“, erklärt Goldkamp. Manchmal stelle sich im Nachhinein durch ein Gutachten heraus, dass der Unfall sich anders ereignet hat, als es die Beteiligten in dem Moment wahrnahmen. Zeugen helfen bei Rekonstruktion Auch die Versicherungsdaten seien nicht entscheidend für den Bericht, da diese auch später über das Kennzeichen ermittelt werden könnten. Wichtige Details wie Beschädigungen oder die Endpositionen der Fahrzeuge hingegen ließen sich später nicht mehr ohne Weiteres nachvollziehen, so der Jurist. Wenn möglich sollten auch Zeugen benannt werden. Das helfe, den Unfallhergang besser zu rekonstruieren.
Wer später einen Gutachter zur Bewertung des Schadens bestellt, hängt von der Schuldfrage ab. „Wer selbst den Unfall verursacht hat und kaskoversichert ist, bekommt von seiner Versicherung einen Gutachter oder eine bestimmte Werkstatt für die Bewertung und Reparatur des Schadens benannt“, erklärt Bernd Grüninger von der Sachverständigenorganisation Dekra. Der Geschädigte hingegen habe grundsätzlich Anspruch auf einen Gutachter seiner Wahl. Das von einem Sachverständigen erstellte Gutachten dient als Grundlage für die Regulierung des Schadens. Ist dann von einer „fiktiven Abrechnung“die Rede, entscheidet sich der Geschädigte dazu, sich die voraussichtlichen Reparaturkosten – abzüglich der Mehrwertsteuer – auf Basis des Gutachtens ausbezahlen zu lassen, erklärt der Dekra-Experte. Im Anschluss kann er überlegen, ob, wo und in welchem Umfang er den Schaden wirklich reparieren lassen möchte. Um nicht auf mögliche Ansprüche zu verzichten, sollte ein Autofahrer sich nicht vorschnell mit der gegnerischen Versicherung auseinandersetzen. Im Zweifel ist ein Anwalt hilfreich. 1000 Euro Schmerzensgeld Wer bei einem Unfall verletzt wird, kann von der gegnerischen Haftpflichtversicherung auch Schmerzensgeld fordern. „Bei einem Halswirbelschleudertrauma, also dem klassischen steifen Nacken, liegt dies je nach Ausprägung zwischen 250 und 1000 Euro“, sagt Goldkamp. Bei schweren Verkehrsunfällen übernehmen die Haftpflichtversicherungen auch mehr. „Neben einem Schmerzensgeld oder Verdienstausfall können Schwerverletzte auch Leistungen für sogenannte vermehrte Bedürfnisse erhalten, worunter etwa auch der behindertengerechte Umbau eines Hauses oder Fahrzeugs fällt“, erklärt Zunk. Ziel sei es, dass das Leben nach dem Unfall dem früheren so nahe wie möglich komme.