Rückstand bei Robotern
Im Zukunftsfeld künstliche Intelligenz hat Deutschland noch Nachholbedarf
NÜRNBERG - Der Digitalgipfel in Nürnberg soll Deutschland in Sachen künstliche Intelligenz voranbringen. Der Gipfel offenbarte jedoch nicht nur Rückstände, sondern auch überraschende Stärken.
Der Mittelständler Cewe will künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um Fotobücher künftig schöner zusammenstellen zu lassen. Beim Großunternehmen Bosch ist unterdessen der intelligente Feuermelder in Arbeit, der mit Kameras arbeitet. Er soll einen Adventskranz von einem beginnenden Brandherd zuverlässig unterscheiden können, indem er die Situation im Raum wirklich versteht. Nützliche Anwendungen der künstlichen Intelligenz sind heute schon in vielen deutschen Unternehmen im Einsatz, wie am Montag auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung in Nürnberg schnell klar wurde. Ebenso klar war, dass diese Anwendungen erst den Anfang einer längeren Entwicklung markieren. „Wir wollen, dass Deutschland in der KI eine Spitzenposition aufbaut“, sagte Herbert Zeisel, Abteilungsleiter für digitalen Wandel im Forschungsministerium. Entscheidende Schlüsseltechnik Die Bundesregierung hat den zweitägigen Digitalgipfel dieses Jahr zum ersten Mal unter ein einzelnes Thema gestellt: Alles dreht sich um künstliche Intelligenz als der Schlüsseltechnik für die Industrie der kommenden Jahrzehnte. Am Dienstag werden Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier hier die KI-Strategie der Regierung offiziell vorstellen. Am Montag waren Fachleute aus Industrie, Ministerien und IT-Beratung dagegen noch unter sich.
Auf dem Gipfel herrschte diesmal ein besonderes Gefühl der Dringlichkeit. Zahlreiche Studien zeigen einen Rückstand Deutschlands. Während sich in China schon neun von zehn Unternehmen aktiv mit KI beschäftigen, sind es in Deutschland nur die Hälfte, hat die Unternehmensberatung BCG herausgefunden. „China profitiert davon, dass die Unternehmen dort vergleichsweise jung und agil sind“, sagt BCGDeutschlandchef Carsten Kratz. In Deutschland neigen sie dagegen eher zur Trägheit.
Es sei zwar noch nicht alles verloren – aber ab jetzt seien Anstrengungen nötig, um wieder aufzuholen. Cewe und Bosch mit ihrem KIEngagement sind derzeit also noch die Vorreiter, nicht die Normalität.
Der Bundesregierung ist der Handlungsbedarf bewusst – deshalb auch der eigene KI-Gipfel. In ihrem eigenen „Monitoring-Report Wirtschaft Digital 2018“bewertet sie jährlich die IT-Fitness der heimischen Unternehmen. Deutschland liegt bei der digitalen Leistungsfähigkeit unter den untersuchten Ländern im Mittelfeld hinter den USA, Südkorea, Großbritannien und Finnland.
Umfragen der Regierung bestätigen, dass nur eine kleine Minderheit der Unternehmen plant, sich demnächst mit dem Thema KI zu beschäftigen.
Zum Teil könnten diese Ergebnisse jedoch auch mit dem Verständnis der Begriffe zu tun haben. Das Wort ist unkonkret: Die einen verwenden es für jede halbwegs gescheite Software, die nicht bei der ersten Änderung eines Parameters gleich mit einer Fehlermeldung abbricht. Viele heutige KI-Anwendungen betreffen beispielsweise Muster- und Spracherkennung, die vielen nach kurzer Zeit schon selbstverständlich geworden ist. Die Öffentlichkeit erwartet derweil eher einen menschenähnlichen Verstand, mit dem eine vernünftige Konversation möglich ist – wie das zahlreiche Computer in Film und Fernsehen vormachen. Aus Deutschland kommen jedoch weniger jener auffälligen Anwendungen, die dem Normalbürger so eng auf die Pelle rücken wie die lauschenden Lautsprecher von Amazon oder Google. Auch die optisch beeindruckenden Schaustücke sind nur selten made in Germany – die international gefeierte Roboterin Sofia kommt beispielsweise aus Hongkong. Stärken in der Produktion Typisch deutsch – und schon vom Namen her weniger glamourös – ist dagegen die Plattform Lernende Systeme (PLS). Vom Forschungsministerium ins Leben gerufen, bringt sie Firmen und Wissenschaftler zusammen, um die KI noch vorn zu bringen. „Wir sind da stark, wo es um Produktion geht, das ist die Chance, KI im eigenen Land zu machen“, sagt Frank Riemensperger von der Unternehmensberatung Accenture, der zum Vorstand der PLS gehört.
Unternehmen wie Bosch sehen voraus, dass in zehn Jahren in jedem Produkt KI steckt – oder dass es zumindest mithilfe von KI hergestellt wurde. Wenn es um Fahrassistenzen fürs Auto geht, oder um moderne Roboterarme, die auf Veränderungen am Band flexibel reagieren – dann hat Deutschland immer noch eine Chance auf einen führenden Platz.