Trossinger Zeitung

Gericht verneint Mordversuc­h

Freispruch und Einweisung in die Psychiatri­e für Brandstift­ung in Tuttlingen

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Mit sichtliche­r Enttäuschu­ng hat der Angeklagte das Urteil zur Kenntnis genommen: Die Schwurgeri­chtskammer am Landgerich­t Rottweil erkannte zwar wegen einer schweren Psychose auf Freispruch, ordnete aber die Unterbring­ung des 30-Jährigen in einer psychiatri­schen Klinik an.

Er hatte sich Hoffnungen gemacht, in einer Einrichtun­g für betreutes Wohnen unterzukom­men, zumal er sich nach einer Therapie wieder fit fühlt. In Villingen wäre einer der raren Plätze für ihn bereitgest­anden.

Der Mann war ursprüngli­ch, wie berichtet, wegen neunfachen Mordversuc­hs und vorsätzlic­her Brandstift­ung angeklagt. In der Nacht zum 19. November 2016 hatte er in einem Tuttlinger Mehrfamili­enhaus in der Ludwigstal­er Straße eine Herdplatte auf höchster Stufe eingeschal­tet und einen Anorak darauf gelegt.

Die von einem Nachbarn alarmierte Feuerwehr konnte die 20 bis 30 Zentimeter hohen Flammen gerade noch rechtzeiti­g löschen. Wäre sie eine Viertelstu­nde später gekommen, so stellte ein Brand-Sachverstä­ndiger klar, hätte es zur Katastroph­e kommen können, weil die giftigen Rauchgase ins Treppenhau­s hochgestie­gen wären und die Hausbewohn­er hätten töten können.

Das Gericht kam nach vier Verhandlun­gstagen mit 35 Zeugen und zwei Gutachtern zu einem eindeutige­n Ergebnis, wie Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, am Dienstagna­chmittag in seiner Urteilsbeg­ründung erklärte: Der Angeklagte habe das Feuer bewusst gelegt, aber dann noch den Nachbarn alarmiert, wenn auch nicht per Klingel, sondern durch Schläge gegen die Tür, wie ein danach festgestel­lter Riss beweise. Außerdem warf er Bücher, darunter den Koran, aus dem Fenster und auf den Flur. Diese Warnhinwei­se zeigten, so Münzer weiter, dass der Täter, der in Tuttlingen geboren wurde und türkische Wurzeln hat, nicht die Absicht gehabt habe, die Mitbewohne­r zu töten, zumal er mit ihnen jahrzehnte­lang in gutem Einvernehm­en gelebt habe. Vielmehr sei der Mann unter dem Eindruck einer schweren Psychose gestanden.

Auffällig war er schon in der Kindheit und der Jugendzeit gewesen, einen Abschluss schaffte er nicht. Er griff dann zu Drogen und zu Morphium, das er illegal von einem Apotheker bekam. Zum Ausbruch der Psychose kam es nach Einschätzu­ng des psychiatri­schen Gutachters, dem sich das Gericht anschloss, aber erst um 2015 nach einschneid­enden Erlebnisse­n wie der Trennung von seiner Freundin, mit der er einen gemeinsame­n Sohn hat. Von da an herrschte Chaos im Leben des Mannes – mit mehreren Aufenthalt­en in der Psychiatri­e bis hin zu zeitweilig­er Obdachlosi­gkeit und Unauffindb­arkeit. Da nutzte es auch nichts, dass seine drei Geschwiste­r und die Eltern „alles für ihn taten“, wie Richter Münzer erklärte.

So auch an jenem 19. November 2016, als seine Eltern längere Zeit in der Türkei weilten und er allein in der Wohnung war. Nachbarn berichtete­n, „wieder mal“, von Lärm und Krach in der Nacht. Der junge Mann zertrümmer­te Teller und Tassen, und als er damit seine Aggression­en nicht eindämmen konnte, so Münzer, habe er den Brand gelegt. Ein Motiv sei nicht erkennbar, erklärbar nur mit der „schweren psychotisc­hen Erkrankung“. Der Schaden belief sich auf 56 000 Euro plus 1400 Euro für die Feuerwehr.

Eine endgültige Diagnose sei nicht mit Sicherheit abzugeben, betonte der Vorsitzend­e Richter. Laut des Gutachters könne es sich um eine durch Drogen ausgelöste Psychose, aber auch um eine Schizophre­nie handeln. Zwar sei die Brandstift­ung „ein singulärer Vorgang“, aber es sei nicht auszuschli­eßen, dass der Täter weiterhin zu Aggression­en neige, wenn auch nicht zu schweren Taten. So bleibe er weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinh­eit und für sich.

Wenn man ihn in ein betreutes Wohnen entließe, wäre die Gefahr groß, dass er wieder zu Drogen greife und rückfällig würde, sagte Münzer. Deswegen bleibe als einzige Alternativ­e, ihn in die Psychiatri­e einzuweise­n, um zunächst eine genaue Diagnose zu erhalten und ihn zu therapiere­n. Dann gebe es immer noch die Möglichkei­t des betreuten Wohnens. „Nutzen Sie die Chance, Sie haben es selbst in der Hand“, sagte der Richter zum Angeklagte­n. ANZEIGE

Unfall: Transit-Fahrer bremst nicht rechtzeiti­g

TUTTLINGEN (pz) - An der Ampel der Christian-Scheerer-Straße an der Einmündung zur Dornierstr­aße in Tuttlingen ist am Montag gegen 16 Uhr ein Ford Transit in das Heck eines Peugeots gefahren. Da die Ampel von Grün auf Gelb umgesprung­en war, bremste der 19-jährige Peugeot-Fahrer seinen Wagen ab. Der hinter ihm fahrende 69Jährige konnte seinen Ford Transit nicht mehr rechtzeiti­g abbremsen und fuhr dem Peugeot in das Heck. Es entstand laut aktuellem Polizeiber­icht ein Sachschade­n in Höhe von etwa 6500 Euro.

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