Emmanuel Macron – vom Hoffnungsträger zur Hassfigur
Die Proteste der Gelbwesten in Frankreich konzentrieren sich immer mehr auf Staatschef Emmanuel Macron. In der Kritik steht die Reformpolitik der Regierung.
Die Szene sprach für sich: Emmanuel Macron wollte nach dem Besuch der Präfektur von Puy-en-Velay das Autofenster öffnen, um zu winken. Doch der Präsident merkte rasch, dass ihm von der Gruppe in gelben Westen nur Hass entgegenschlug und schloss das Fenster schnell wieder. Sein Konvoi beschleunigte und fuhr davon, als wollte er den Gilets jaunes (Gelbwesten) entkommen.
Überall, wo der 40-Jährige derzeit auftritt, trifft er auf lautstarke Ablehnung. Am Triumphbogen ebenso wie in Puy-en-Velay in der zentralfranzösischen Provinz, wo die Gelbwesten die Präfektur in Brand steckten. Macron setzt nach den Gewaltexzessen in Paris vergeblich auf die Macht der Bilder, die er so lange steuerte. Das Heft des Handelns ist ihm inzwischen entglitten.
Der frühere Wirtschaftsminister wirkt hilflos angesichts des Frusts, der sich auf der Straße entlädt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger François Hollande, der sich bei allen dramatischen Ereignissen schnell an seine Landsleute wandte, hält sich Macron zurück. Wohl auch, weil er eben nicht an Hollande erinnern will, der seine Reformprojekte zurückzog, nachdem Protest dagegen laut wurde. „Am Kurs festhalten, aber die Methode ändern“, formulierte er vergangene Woche in seiner Rede zur Energiepolitik als Devise.
Zehn Tage später ist auch bei Macron kein Kurs mehr zu erkennen. Als erstes Reformvorhaben kippte er die geplante Öko-Steuer, gegen die die Gelbwesten anfangs protestierten. Andere Projekte wie die Rentenreform oder die Reform der Arbeitslosenversicherung, die im nächsten Jahr angegangen werden sollen, sind im jetzigen Klima kaum vorstellbar. Auch international geschwächt Zunächst einmal muss der Präsident Maßnahmen ankündigen, die die Lebenssituation der unteren Mittelschicht verbessern. Seit er zu Beginn seiner Amtszeit die Vermögenssteuer abschaffte, ist er als „Präsident der Reichen“verschrien. Die soziale Seite seiner Reformagenda ist dagegen stark unterentwickelt. Das könnte sich nächste Woche ändern, wenn Macron sich endlich äußern will vielleicht, um soziale Maßnahmen wie eine Anhebung des Mindestlohns anzukündigen. Ob das reichen wird, um die Wut der Menschen auf der Straße zu besänftigen, ist fraglich. Der frühere Wirtschaftsminister ist eine Art rotes Tuch für viele Franzosen geworden, von denen mehr als 70 Prozent mit den Gelbwesten sympathisieren. Seine Beliebtheitswerte sind mit denen des unpopulären Vorgängers François Hollande vergleichbar, der deshalb auf eine zweite Kandidatur verzichten musste. Die Forderung nach Demission ist überall zu hören, wo der Präsident auftritt.
Die Bilder des gelben Mobs, der in den Straßen von Paris wütet und fürs Wochenende weitere Proteste plant, schaden dem 40-Jährigen nicht nur zu Hause, sondern auch im Ausland. Wenn der einstige europäische Hoffnungsträger nächste Woche zum EUGipfel mit seinen Kollegen zusammenkommt, dürfte es ihm schwerfallen, selbstbewusst seine Forderung nach einem gemeinsamen Eurozonen-Budget zu verteidigen.