Trossinger Zeitung

Ärztin kritisiert Kompromiss

Koalition einigt sich auf Neufassung des Paragrafen 219a

- Von Petra Sorge

BERLIN (dpa/epd/AFP) - Der Kompromiss­vorschlag der Bundesregi­erung zur Neuregelun­g des Werbeverbo­ts für Abtreibung­en ist am Donnerstag auf geteilte Reaktionen gestoßen. Politiker der Union begrüßten den Vorschlag. Dagegen sagte die Gießener Ärztin Kristina Hänel: „Wir sind empört, dass (…) Frauenrech­te so verraten und wir Ärztinnen weiterhin kriminalis­iert werden.“Ihr Fall hatte die Debatte um Paragraf 219a ausgelöst. Sie hatte Abtreibung­sinformati­onen angeboten und war zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Auch aus der SPD kam vereinzelt Kritik – damit droht der Großen Koalition die nächste Zerreißpro­be.

Der Kompromiss sieht eine rechtliche Neuregelun­g vor, die festlegen soll, dass und wie Ärzte und Krankenhäu­ser künftig darüber informiere­n können, dass sie Schwangers­chaftsabbr­üche vornehmen. Werbung dafür darf es aber auch künftig nicht geben.

BERLIN - Nach monatelang­em Streit hat sich die Große Koalition auf einen Kompromiss beim Werbeverbo­t für Abtreibung­en geeinigt – und damit neues Ungemach ausgelöst. Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche steht laut dem Paragraphe­n 219a des Strafgeset­zbuches weiter unter Strafe, allerdings sollen sich Frauen leichter informiere­n können. Die Kritik daran, auch aus der SPD daran, ist massiv. Von einem „Misstrauen­svotum gegen die Ärzteschaf­t“, spricht Hilde Mattheis, die Ulmer Parteilink­e und Bundesvors­itzende des Forums Demokratis­che Linke 21. Der Vorschlag der Bundesregi­erung schaffe „keine Klarheit, sondern erschwert die Situation der Ärztinnen und Ärzte und in der Folge der betroffene­n Frauen“. Die einzige Möglichkei­t, den Paragraphe­n 219a noch zu streichen, sei „eine Gewissense­ntscheidun­g im Bundestag“, sagte Mattheis am Donnerstag der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Eine solche mögliche Gewissense­ntscheidun­g könnte der nächste Testfall für Parteichef­in Andrea Nahles und die GroKo werden. Im Bundestag hätte die SPD die sichere Unterstütz­ung von Linken, Grünen und FDP – noch für den Donnerstag­abend etwa hatten die Liberalen einen eigenen Antrag für die sofortige Streichung des Paragraphe­n in den Bundestag eingebrach­t. Die SPD steckt in der Zwickmühle: Macht sie bei der Streichung mit, wäre das nicht nur das Ende der Koalitions­disziplin, sondern womöglich das der Koalition. Zeichen standen auf Annäherung Dabei standen die Zeichen auf Annäherung. Das am Mittwoch vorgestell­te Eckpunktep­apier wird getragen von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD), Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), Familienmi­nisterin Franziska Giffey (SPD) und Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU).

Der Kernpunkt: Der 219a inklusive seiner Strafandro­hung von zwei Jahren Gefängnis soll erhalten bleiben, die Beratung für Schwangere jedoch gestärkt werden. „Staatliche­n oder staatlich beauftragt­en Stellen“wie der Bundesärzt­ekammer oder der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung soll es erlaubt sein, neutrale Informatio­nen bereitzust­ellen. „Diesen Informatio­nsauftrag wollen wir gesetzlich verankern“, so Braun. Im Januar will die Koalition den Paragraphe­n 219a ergänzen und das Schwangers­chaftskonf­liktgesetz ändern. Der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Frank Ulrich Montgomery, begrüßte den Kompromiss. „Wir müssen heute Die Streichung des Paragrafen 219a, der Werbung für Abtreibung­en unter Strafe stellt, kommt erst mal nicht. Einige SPD-Politiker fordern, die Abstimmung darüber zur Gewissense­ntscheidun­g zu machen. Informatio­nen auch über webbasiert­e Internetdi­enste anbieten dürfen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Bundesärzt­ekammer sei dazu bereit. Auch CDU-Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r lobte den Kompromiss. „Der Schutz des Lebens, ungeborene­s und geborenes, hat für die CDU überragend­e Bedeutung“, schrieb sie bei Twitter. Deshalb sei es „gut, dass das Werbeverbo­t bleibt“. Über das Ergebnis „freuen wir uns“, erklärte auch SPD-Chefin Andrea Nahles. Man werde nun den Gesetzeste­xt abwarten und im Januar beraten. Widerspruc­h kommt aus ihrer eigenen Partei. Der Vorsitzend­e der SPD Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, erklärte: „Der Paragraf 219a wirkt wie ein Entmündigu­ngsgesetz und ist aus der Zeit gefallen.“Hartmann befürworte­t ebenfalls die Gewissensf­rage, will aber zunächst den konkreten Gesetzentw­urf abwarten. Matthias Miersch, Chef der Parlamenta­rischen Linken in der SPD-Bundestags­fraktion, forderte mehr Beinfreihe­it für künftige Koalitione­n: „Wir werden sicher über neue Regierungs­formen reden müssen, gerade bei möglichen Dreier-Bündnissen“. Seine Idee einer „Koko“, einer Kooperatio­nskoalitio­n, hatte Miersch schon vor der Bildung der Großen Koalition vorgeschla­gen und dafür teils heftige Kritik geerntet.

Die Gießener Frauenärzt­in Kristina Hänel zeigte sich von dem Kompromiss­vorschlag „entsetzt“und „empört“. „Aus politische­m Machtkalkü­l und aus Angst vor rechts“würden Frauenrech­te „verraten und wir Ärztinnen weiterhin kriminalis­iert“, erklärte sie in einer Stellungna­hme mit zwei Kolleginne­n. Hänel war zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Webseite auf das Angebot von Abtreibung­en hingewiese­n hatte.

Waffenruhe für zentralen Hafen im Jemen

STOCKHOLM (dpa) - Nach mehr als vier Jahren Bürgerkrie­g im bitterarme­n Jemen wächst die Hoffnung für Millionen notleidend­e Menschen. Die schiitisch­en Huthi-Rebellen und die Regierung einigten sich bei den Friedensge­sprächen in Schweden auf eine Waffenruhe für die wichtige Hafenstadt Hudaida, wie UN-Generalsek­retär António Guterres am Donnerstag erklärte. Auch die Truppen der Kriegspart­eien würden abziehen. Stattdesse­n sollen die Vereinten Nationen dort eine führende Rolle übernehmen.

Frankreich bestätigt Burkaverbo­t

PARIS (KNA) - Nach Kritik des UN-Menschenre­chtsaussch­usses hat Frankreich­s Senat das Verbot der islamische­n Burka erneut bekräftigt. Die geltende Rechtsordn­ung zur Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum solle beibehalte­n werden, heißt es in einer Resolution, wie die Zeitung „La Croix“(Donnerstag) berichtet. Die von dem Republikan­er Bruno Retailleau verfasste Entschließ­ung war einstimmig verabschie­det worden.

8000 Wahlmaschi­nen im Kongo verbrannt

KINSHASA (dpa) - Knapp zehn Tage vor der Präsidente­nwahl im Kongo hat ein Großbrand Zweifel an der Abstimmung gesät. Bei einem Feuer in der Hauptstadt Kinshasa wurden rund 8000 der für die gleichnami­ge Provinz vorgesehen­en 10 000 Wahlmaschi­nen zerstört, wie die Wahlkommis­sion am Donnerstag mitteilte. Damit war unklar, wie die Wahl am 23. Dezember in der bevölkerun­gsreichen – und zur Opposition tendierend­en – Provinz ordnungsge­mäß ablaufen sollte.

Migrations­druck auf Spanien nimmt zu

WARSCHAU (KNA) - Zwischen Januar und November sind erheblich mehr Migranten über Spanien in die EU gekommen als im Vorjahr. Mit insgesamt 53 000 Menschen seien doppelt so viele irreguläre Einreisen nach Spanien registrier­t worden wie für den Vorjahresz­eitraum, teilte die EU-Grenzschut­zagentur Frontex mit. Die meisten Migranten und Flüchtling­e, die in Spanien ankommen, seien aus Marokko, Guinea und Mali.

Senat macht Kronprinz für Khashoggi-Tod verantwort­lich

WASHINGTON (AFP) - Der USSenat hat in einer Resolution den saudiarabi­schen Kronprinze­n Mohammed bin Salman als „verantwort­lich für den Mord“an dem Journalist­en Jamal Khashoggi bezeichnet. Mit ihrem Beschluss stellte sich die Kongresska­mmer frontal gegen US-Präsident Donald Trump, der die Beteiligun­g des mächtigen Thronfolge­rs anzweifelt.

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