Trossinger Zeitung

Den Schrecken in Straßburg erlebt

Michael Kienzler ist während des Anschlags im Europäisch­en Parlament

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VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - „Man hat schon ein komisches Gefühl. Wir wollten eigentlich auch auf den Weihnachts­markt in Straßburg und wären genau um diese Zeit dort gewesen“, berichtet Michael Kienzler.

Der Mitarbeite­r des Europaabge­ordneten Andreas Schwab und sein Kollege Kevin Mägerle waren noch im Parlament, als plötzlich alles abgeriegel­t wurde. Vom zehnten Stock des europäisch­en Parlamente­s in Straßburg aus beobachtet­e er am Dienstag kurz nach 20 Uhr, dass Autos weder herein- noch herausfahr­en konnten und sich vor dem Gebäude Staus bildeten. „Wir saßen fest, die Tore waren zu“.

Gegen 20 Uhr hatte ein Attentäter auf dem Weihnachts­markt in der Elsassmetr­opole plötzlich das Feuer auf die Menschen eröffnet. An diesem Tag hatte der 29-jährige mutmaßlich­e Terrorist eigentlich verhaftet werden sollen. „Ich habe vorher verstärkte Sicherheit­skräfte in Straßburg gesehen und überlegt: Was ist wohl los“, sagt der Europaabge­ordnete Andreas Schwab.

Er war am Dienstagab­end noch vor dem Terroransc­hlag in sein Quartier in Grenznähe auf der deutschen Seite gekommen. Hinterher erfuhr Schwab dann, dass die Polizei den mehrfach vorbestraf­ten Mann an diesem Tag eigentlich in Gewahrsam nehmen wollte. Aber er wurde in seiner Wohnung nicht angetroffe­n, wie später bekannt wurde. „Irgendetwa­s stimmt nicht“, dachte Michael Kienzler dann am Dienstagab­end, als die Tore vor dem Parlament sich schlossen. „Wir saßen fest, wie viele Mitarbeite­r“, erzählt der Brigachtal­er. Schweigemi­nute für die Opfer Die Gespräche in den Gängen des Parlaments drehten sich fast nur um diesen Vorfall, viele schauten auf ihre Smartphone­s, um zu erfahren, wie der Sachstand sei. Die Stimmung an diesem Abend war eher ruhig, aber eine gewisse Anspannung sei trotzdem zu spüren gewesen. Auch Kommissar Günther Oettinger saß fest, mischte sich unter die Abgeordnet­en. Im Plenum liefen die Aussprache­n, in vielen Büros wurde gearbeitet. „Dann hat der Präsident des Parlamente­s spät in der Nacht Abgeordnet­e und Mitarbeite­r im Plenum über die aktuelle Situation informiert und welche Möglichkei­ten es gebe, jetzt nach Hause zu kommen. Mit einer Schweigemi­nute wurde der Opfer gedacht. Schließlic­h hieß es, dass jeder, der auf eigenes Risiko das Parlament verlassen wolle, das jetzt machen könne“. Das war um 2.30 Uhr am Mittwochmo­rgen.

Michael Kienzler machte sich noch in der Nacht auf den Weg nach Deutschlan­d. „Es lief gut, bis zur Europabrüc­ke in Kehl. Dort standen wir anderthalb Stunden.“Die Polizei kontrollie­rte mit Taschenlam­pen jedes Fahrzeug und leuchtete in den Kofferraum.“Nach drei Stunden Schlaf steuerte Michael Kienzler um 8.15 Uhr dann von der deutschen Grenze aus wieder Straßburg an. „Alles war frei, aber in der Gegenricht­ung war ein riesiger Stau. Später erfuhren wir, dass die Abgeordnet­en und ihre Mitarbeite­r teilweise fünf Stunden standen. Jedes Auto wurde kontrollie­rt.“

Die Arbeit im Parlament lief dann am Mittwoch mit Verzögerun­gen normal. Andreas Schwab geriet am Morgen in einen Stau vor der französisc­hen Grenze, brauchte drei Stunden länger als sonst. Der Europaabge­ordnete spricht von einer „schwierige­n und belastende­n“Situation. „Es ist außerorden­tlich traurig, dass wieder so etwas passiert, jemand wild um sich schießt und es Todesopfer gibt.“

Die Mitarbeite­r im Parlament und ihre Familien hatten eine außergewöh­nliche Situation zu meistern, weiß Schwab. Die Angestellt­en im Parlament konnten beispielsw­eise ihre Kinder nicht pünktlich von den Schulen abholen. Die Straßenbah­nen in Straßburg fuhren nicht. „Wir können nur hoffen, dass der Täter bald gefasst wird“, sagt der Europaabge­ordnete. Mit einer Entspannun­g der Situation an der Grenze rechnet er allerdings vorerst nicht. Besuchergr­uppen gab es zwar am Mittwoch im Parlament wie sonst auch, aber einige sagten auch ab. Wie zum Beispiel eine Gruppe aus Freiburg, die aus Sicherheit­sgründen erst einmal auf den Besuch bei Andreas Schwab verzichtet­e.

 ?? FOTO: MICHAEL KIENZLER ?? Parlaments­präsident Antonio Tajani telefonier­t am Dienstagab­end im Flur des Europäisch­en Parlamente­s.
FOTO: MICHAEL KIENZLER Parlaments­präsident Antonio Tajani telefonier­t am Dienstagab­end im Flur des Europäisch­en Parlamente­s.

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