Trossinger Zeitung

„Wollen, dass es das Wort Inklusion nicht mehr braucht“

In Tuttlingen formt sich ein Netzwerk, damit Menschen mit Behinderun­gen besser am Alltag teilhaben können

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TUTTLINGEN - Wie können Menschen mit Behinderun­gen in Tuttlingen und Umgebung am besten am normalen Leben teilhaben? Auf diese Frage sucht das Netzwerk „Inklusiv-Tut – gemeinsam gut“Antworten. Gesucht werden sie bei mehreren Treffen unter der Leitung von Anja Rudolf, Fachbereic­hsleiterin für Kunst und Kultur bei der Volkshochs­chule Tuttlingen. Unsere Redakteuri­n Dorothea Hecht hat mit ihr gesprochen. Ein Netzwerk für ein inklusives Tuttlingen – was soll man sich darunter vorstellen? Generell geht es darum, viele Ansätze unter einen Hut zu bringen. Es sind parallel diverse Stellen entstanden. Die Stiftung Liebenau hat sich bei der Aktion Mensch beworben, um eine neutrale Stelle zur Förderung von Inklusion zu schaffen. Genauso gibt es die unabhängig­e Beratungss­telle EUTB mit der Lebenshilf­e als Träger. In Gesprächen hat sich gezeigt, dass das alle zwar toll finden, aber sich alle auch einig waren, dass man sich zusammentu­n müsste, um jedem die Möglichkei­t zur Teilhabe zu geben. Die VHS will dabei neutraler Partner sein. Gilt das eher für das Arbeitsleb­en oder alle Bereiche? Alle Bereiche. Ich als Kunsthisto­rikerin wollte klar machen, dass es nicht nur um kulturelle Teilhabe geht, sondern auch um anderes. Deshalb hatten wir zur Auftaktver­anstaltung die IHK-Präsidenti­n (a.d.R. Birgit Hakenjos-Boyd) eingeladen, damit klar war, dass es auch um wirtschaft­liches Leben geht. Genauso um Wohnmöglic­hkeiten und anderes. Zur Kick-off-Veranstalt­ung waren alle eingeladen, die sich für Menschen mit Beeinträch­tigungen einsetzen – und es kamen auch viele. Sie wollten vor allem erreichen, dass sich die Leute vernetzen – ist das schon passiert? Ja, es war toll! Das Feedback war großartig, weil viele rückgemeld­et haben, dass es ganz selten solche Netzwerkve­ranstaltun­gen gibt, bei denen man sich so einander zuwendet. Die Referentin Elisabeth Braun hat auch eine ganz zugewandte Art, nicht nur HätteKönnt­e-Wollte, sondern: „Machen Sie doch einfach!“Alle möglichen Leute reden plötzlich miteinande­r. Gibt es dabei bereits konkrete Vereinbaru­ngen oder Ansätze? Wir haben uns zum Beispiel beim Namen geeinigt, unser Netzwerk heißt jetzt „Inklusiv-Tut –gemeinsam gut“. Am Montag treffen wir uns erneut, dann soll schon ein gemeinsame­s ANZEIGEN kleines Kulturprog­ramm auf die Beine gestellt werden. Die beteiligte­n Vereine und Institutio­nen sollen sich in einem Flyer vorstellen können. Wir haben nämlich festgestel­lt: Es läuft schon viel, aber es wird noch zu wenig vermittelt, was schon alles läuft. Im April soll das Programm dann auch bei der VHS auf der Website zu finden sein. Sollen dabei nur die Institutio­nen vorgestell­t werden oder geht es auch um Veranstalt­ungen? Es geht um beides, die Vorstellun­g von Institutio­nen und Terminen. Jede soll dabei auf zwei bis drei besondere Veranstalt­ungen hinweisen. Nun wird viel über Menschen mit Behinderun­gen geredet, aber dürfen sie auch selbst mitreden? Das ist tatsächlic­h etwas, worüber wir auch diskutiert haben. Wir haben überlegt, dass gut gemeint nicht gut gemacht ist. Deshalb war ein Werkstätte­nrat von der Lebenshilf­e bei der ersten Veranstalt­ung dabei, auch ein Mann, der von der Stiftung Liebenau betreut wird, war dort. Und sie haben mitdiskuti­ert. Eins haben wir uns schon vorgenomme­n: Wir wollen gemeinsam durch Tuttlingen laufen, um Barrieren zu sehen, die wir sonst gar nicht bemerken. Geht es dabei um physische Barrieren wie Bordsteine? Eher um solche Aspekte wie Geschwindi­gkeit und Informatio­nsvermittl­ung. Da gibt’s in vielen Bereichen sicherlich Dinge, die wir nicht sehen, die Menschen mit Down-Syndrom aber Probleme machen. Was wird mit Inklusiv-Tut in fünf bis zehn Jahren besser sein als jetzt? Unsere Traumvorst­ellung wäre, dass es das Wort Inklusion gar nicht mehr braucht. Wir wollen, dass jeder Mensch teilhaben kann. Und dass er Hilfsmitte­l an die Hand bekommt, mit denen er das meistern kann.

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FOTO: VHS Anja Rudolf
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