Leipzig versteht Europa nicht
Trotz Schützenhilfe verspielt RB das Weiterkommen – Stürmer Timo Werner kritisiert Rangnicks Rotation
LEIPZIG (dpa/SID) - Willi Orban starrte entgeistert ins Leere, nicht weit weg von ihm schüttelte Yussuf Poulsen ungläubig den Kopf. Nein, das Weiterkommen in der Europa League hätte RB Leipzig niemals vergeigen dürfen. Nur ein mickriges 1:1 (0:0) gelang gegen die bestenfalls zweitklassigen Norweger von Rosenborg Trondheim. Eine an recht blamablen Vorstellungen des selbsternannten Bundesliga-Spitzenclubs nicht armen Gruppenphase der Europa League endete mit der totalen Bruchlandung die nicht nur in den gewohnt bissigen sozialen Netzwerken viele Beobachter zu deftigen Kommentaren trieb. Der Vorwurf: Die Leipziger seien zu arrogant und ignorant gewesen, um die Bedeutung des Wettbewerbs zu verstehen. Das Aus nur folgerichtig.
Dabei hatte doch sogar der längst für die Zwischenrunde qualifizierte Bruderclub aus Salzburg für Leipzig gespielt und den alles andere als schwachen schottischen Meister Celtic Glasgow 2:1 besiegt. Mit einem Dreier wäre also auch Leipzig weiter gewesen. Mit einem gellenden Pfeifkonzert der lediglich 16 957 Zuschauer wurden die Leipziger von den eigenen Fans verabschiedet.
Ungewöhnlich offene Kritik an Trainer Ralf Rangnick gab es nach dem Spiel von Timo Werner. Der 22Jährige hatte wie andere Stars 90 Minuten lang auf der Bank gesessen. Laut RTL Nitro kommentierte der Stürmer das Aus in der Mixed Zone so: „Das ist kein Wunder, wenn man die halbe Mannschaft austauscht.“
Rangnick hatte im Vergleich zur 0:3 in der Bundesliga gegen den SC Freiburg acht Neue gebracht. Angesprochen auf Werners Aussagen erwiderte der 60-Jährige am Donnerstagabend: „Ich werde ihn morgen fragen. Wir haben die ganze Saison schon so aufgestellt. Wir haben auch in Freiburg kein Tor geschossen.“Dennoch: Dass Rangnick in der Europa League so viel rochierte, lässt den Eindruck zu, er nähme den Wettbewerb nicht ganz ernst. Der Trainer hatte schon vor der Partie eingeräumt, Priorität habe für ihn die Bundesliga und der Kampf um die Champions League. Hätte er immer mit seiner besten Elf gespielt, „vielleicht wären wir dann sogar vor dem Spiel gegen Trondheim schon weitergewesen, aber ich bin hundertprozentig sicher, dass wir in der Liga dann keine 25 Punkte hätten, sondern 15 oder 16. Und sie können ja mal gucken, wie viele Punkte Schalke und Leverkusen haben, die ja auch noch international unterwegs sind.“
Während die Spieler Selbstkritik übten, nahm der Trainer, der selbst in der ersten Halbzeit auf der Bank frustriert den Kopf geschüttelt hatte, seine Spieler in Schutz. „Es hätte heute nur einen Sieger geben dürfen, wir hatten ein Torschussverhältnis von 23:7. Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen, wir haben alles versucht. Wir haben es über weite Strecken richtig gut gemacht.“
Statt des zuletzt treffsicheren Duos Poulsen/Werner hatte Rangnick auf das Stürmer-Paar Matheus Cunha/Jean-Kévin Augustin gesetzt. Der Brasilianer Cunha erzielte in der 47. Minute die Führung, doch vom Franzosen, der in den letzten zehn Spielen nur einmal traf und zur Pause raus musste, kam nichts. „Er hat kein gutes Spiel gemacht, er hatte in der ersten Halbzeit drei Riesenchancen. Im Moment fehlt ihm das Selbstvertrauen“, meinte Rangnick über Augustin, an dem der FC Everton Interesse haben soll. Rangnick wehrt Kritik ab Kritik an Aufstellung, Leistung oder der Spielweise ohne Tempo und Tiefgang in Halbzeit eins ließ Rangnick nicht zu. „Was hätte die heutige Mannschaft besser machen können? Außer das 2:0, 3:0 oder 4:0 zu schießen oder die Situation nach dem Einwurf besser zu verteidigen. Das kann man ihr vorwerfen, was noch?“, sagte der Backnanger. „Ich bin nicht bereit, nach so einem Spiel emotionale Aussagen zu tätigen, die in die Richtung gehen, wir waren nicht gut genug oder zu dumm“, schimpfte Rangnick. „Nee, wir waren nicht dumm, wir haben es richtig gut gemacht und über weite Strecken das Spiel dominiert. Es hätte nur einen Sieger geben dürfen, und das waren wir.“