Ärzte klar gegen Abendsprechstunden
Krankenkassen stellen sich hinter den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Spahn und fordern Angebot über ein Mindestmaß hinaus
BERLIN (dpa) - Arztpraxen sollen aus Sicht des Verbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) öfter abends und samstags öffnen. „Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte“, sagte GKV-Vizechef Johann-Magnus von Stackelberg am Donnerstag. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wies die Forderung als „dreist und frech“zurück. Vielmehr verweigerten die Kassen den Ärzten ausreichend Honorar.
BERLIN - Von einem „Schlag ins Gesicht“der Mediziner spricht Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Mit aller Härte wehrt er sich gegen Forderungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), mehr Sprechstunden abends und an Samstagen anzubieten. „Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte“, hatte Johann-Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband gesagt.
Grund der Gereiztheit auf beiden Seiten ist der Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der die Patientenversorgung von gesetzlich Versicherten deutlich verbessern und die Mediziner stärker in die Pflicht nehmen möchte. Dabei geht es um eine Ausweitung von Sprechstunden auch am Wochenende. Im Sommer legte Spahn seinen Entwurf für ein Terminserviceund Versorgungsgesetz vor.
Eine Umfrage im Auftrag des Kassenverbandes ergab, dass mittwochs zwischen 14 und 17 Uhr rund 20 Prozent der Arztpraxen Sprechstunden anbieten, freitags sind es noch weniger. Für den Ärztevertreter Gassen eine Provokation. „Fake news“nennt er die Studienergebnisse. „Die Niedergelassenen arbeiten 52 Wochenstunden im Schnitt und leisten häufig viel mehr Sprechstunden als sie müssten.“Wenn die Praxen geschlossen seien, könnten sich die Patienten an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden, sagte Gassen. „Es ist also Unsinn, zu behaupten, zu wenige Samstagssprechstunden seien der Grund dafür, dass Menschen in die Notaufnahmen gingen.“Gassen warf den Krankenkassen zudem vor, den Ärzten eine angemessene Finanzierung zu verweigern und im Schnitt 15 Prozent der Leistungen nicht zu vergüten. „Bei der ständigen Zechprellerei jetzt noch eine Serviceangebotserweiterung zu fordern, ist einfach nur dreist und frech.“
Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery rief die „Kassenfunktionäre“auf, einen Blick in die Praxen zu werfen. „Die Kollegen arbeiten am Limit und oftmals darüber hinaus.“Montgomery forderte, zur Vermeidung von Versorgungsengpässen mehr ärztlichen Nachwuchs auszubilden und attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Hausärzte betonen Einsatz Empörung auch bei den Hausärzten: Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, spricht von „fragwürdigen Zahlenspielen oder Ratschlägen“. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sagte Weigeldt: „Die Hausärzte mehr oder weniger versteckt als arbeitsfaul darzustellen, können wir so nicht stehen lassen. Denn schon heute bieten die meisten deutlich mehr Sprechstunden und zeitliche Puffer an, um Akutpatienten behandeln zu können – und das auch am frühen Abend oder samstags.“
Ebenfalls umstritten ist Jens Spahns Entwurf für ein Terminserviceund Versorgungsgesetz, der vorsieht, die Mindestsprechstunden von niedergelassenen Ärzten von 20 auf 25 Stunden zu erweitern. Auch sollen, geht es nach dem Bundesgesundheitsminister, die Terminservicestellen für die Facharztvermittlung rund um die Uhr erreichbar sein. Die Regierungsvorlage zu den Vorschlägen Spahns liegen dem Bundestag zur Beratung vor.