Schneemassen als tödliche Gefahr
Junge (9) von Baum erschlagen – Chaos auf der A 8 – Lindau zeitweise nicht erreichbar
RAVENSBURG/ULM/LINDAU - Zugeschneite Straßen, gesperrte Bahngleise, schneebedeckte Wälder, Winterdienste im Dauereinsatz, Lawinengefahr in den Bergen – nicht nur Österreich, wo Tausende Haushalte am Donnerstag ohne Strom waren, auch der Süden Deutschlands versinkt im Schnee. In Trautshofen nahe Aying im Landkreis München wurde ein neunjähriger Junge von einem umgestürzten Baum getötet. Vermutlich ist er unter der hohen Schneelast zusammengebrochen. Auf der Schwägalp im Schweizer Kanton Appenzell Ausserrhoden ist am Donnerstagnachmittag eine etwa 300 Meter breite Lawine in ein Hotelrestaurant gekracht und hat drei Menschen leicht verletzt.
In Baden-Württemberg und Bayern kam der Verkehr teilweise zum Erliegen. Da es auch auf den Bahnstrecken Probleme gab, war etwa Lindau am Donnerstag zeitweise nicht mehr erreichbar. In Bayern riefen nach Miesbach nun auch Berchtesgaden und Traunstein den Katastrophenfall aus. Besonders betroffen war in der Nacht zum Donnerstag auch die A 8. Zwischen Ulm und Nellingen ging auf etwa 35 Kilometern stundenlang gar nichts mehr.
Hunderte Lastwagen- und Autofahrer steckten in der Nacht fest und konnten nicht weiterfahren. Den Angaben zufolge waren Polizei, Rettungsdienst, das Technische Hilfswerk und die Autobahnmeisterei die ganze Nacht im Einsatz. Die Helfer verteilten an betroffene Autoinsassen unter anderem Decken und heiße Getränke. Erst morgens gegen fünf Uhr befreiten Helfer des Technischen Hilfswerks die Fahrzeuge und machten, gemeinsam mit dem Winterdienst, die A 8 wieder frei.
In dem Stau starb eine Autofahrerin. Sie steckte bei Dornstadt mit ihrem Wagen im Stau fest und saß allein in ihrem Fahrzeug. Ob die 54Jährige an Kälte oder wegen gesundheitlicher Probleme starb, stehe nicht eindeutig fest, sagte ein Polizeisprecher. Die Todesursache müsse erst noch geklärt werden.
Auch auf anderen Straßen kam es durch Schnee und Eis zu Unfällen, unter anderem im Ostalbkreis rund um Aalen sowie im Schwarzwald. Das Polizeipräsidium Konstanz registrierte von Mittwochabend bis Donnerstagvormittag 49 Unfälle durch Eis und Schnee. In den meisten Fällen waren Autos zu schnell unterwegs, rutschten von der Straße oder stießen mit anderen Fahrzeugen zusammen. Es blieb dabei meist bei Blechschäden, sagte ein Polizeisprecher. Auf der Bundesstraße 311 zwischen Mengen und Herbertingen im Kreis Sigmaringen wurden zwei Autoinsassen verletzt. Ihr Fahrzeug kam auf schneeglatter Fahrbahn von der Straße ab und rutschte in den Straßengraben. Das Auto hatte der Polizei zufolge Sommerreifen.
Das winterliche Wetter wird auch weiterhin Bestand haben. „Das Winterhalbjahr wird uns enorm viel Niederschlag bringen“, sagt Meteorologe Roland Roth, der die Wetterwarte Süd leitet, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Klimawandel bringe mit sich, dass sowohl tiefdruck- als auch hochdruckbestimmtes Wetter beharrlicher werde.
Nutznießer sind derweil die Wintersportler – vor allem die Langläufer. Während zahlreiche Alpinpisten wegen der Lawinengefahr gesperrt wurden, sind die Loipen gespurt – auch in der Region.
chnee und kein Ende: Das heftige Winterwetter hat mehrere Menschen das Leben gekostet. In Aying bei München brach am Donnerstag ein Baum unter der schweren Schneelast zusammen und erschlug einen Neunjährigen. Erst nach 40 Minuten entdeckten Zeugen den darunter begrabenen Bub und alarmierten die Rettungskräfte, die ihn nicht mehr wiederbeleben konnten. Nach Angaben der Polizei stand der etwa zehn Meter große Baum auf einem privaten Grundstück und stürzte auf einen Zufahrtsweg.
Im österreichischen St. Anton am Arlberg wurde ein 16-jähriger Deutsch-Australier am Mittwoch beim Skifahren von einer Lawine verschüttet und starb. Die Familie sei in St. Anton am Arlberg abseits der Pisten unterwegs gewesen und am späten Nachmittag in sehr steilem Gelände nicht weitergekommen, sagte ein Polizeisprecher. Der 16-Jährige habe einen Notruf abgesetzt. Während die Retter unterwegs waren, um die Familie zu bergen, habe ihn eine Lawine erfasst. Der Junge sei zwar nach 20 Minuten geborgen worden, habe jedoch nicht reanimiert werden können.
Die Lage spitzte sich in Bayern unterdessen zu. Das Landratsamt Traunstein rief am Donnerstag den Katastrophenalarm aus. Die schweren Schneemassen seien eine Gefahr für die Menschen, teilte ein Sprecher mit. Für den Landkreis Miesbach und Teile des Berchtesgadener Lands hatten die Behörden zuvor schon den Katastrophenfall erklärt. An der Grenze zu Österreich saßen Hunderte Menschen fest, weil Zufahrtsstraßen wegen der Schneemassen gesperrt waren. Für die mehr als 350 Bewohner in den Berchtesgadener Ortsteilen Buchenhöhe und Vorderbrand sowie in Ettenberg, das zur Gemeinde Marktschellenberg gehört, wurde eine Notversorgung eingerichtet, wie das Landratsamt erklärte. Mit gepanzerten Kettenfahrzeugen transportierten Bundeswehrsoldaten die betroffenen Einwohner und Mitarbeiter eines Asthma-Zentrums in Buchenhöhe. Nur die Militärfahrzeuge konnten die Strecke befahren. Erhöhte Lawinengefahr Im Raum Miesbach und Berchtesgaden war die Bundeswehr mit rund 30 Soldaten im Einsatz. Sie räumten unter anderem Dächer. Weitere Kräfte der Gebirgsjäger, der Luftwaffe, der Streitkräfte und des Sanitätsdienstes waren in erhöhter Bereitschaft.
Am Flughafen München wurden ungefähr 50 Flüge wetterbedingt annulliert – allerdings liege das an den Witterungsverhältnissen an anderen Orten und nicht an den Schneeverhältnissen an Deutschlands zweitgrößtem Airport, sagte ein Sprecher.
In Österreich führten die Schneemassen vielerorts zu großen Problemen bei der Stromversorgung. Tausende Haushalte waren am Donnerstag zeitweise ohne Strom. Allein im Bundesland Tirol waren es laut Tiroler Netze rund 1600 Haushalte, in Salzburg meldete das Land mehr als 1200 stromlose Haushalte.
Durch weitere Schneemassen könnte sich die Lawinengefahr in Österreich verschärfen. Bis einschließlich heute werde es dem Wetterdienst des Senders ORFs zufolge in Vorarlberg, Nordtirol, Salzburg, der Obersteiermark und in den Alpen Ober- und Niederösterreichs weiter schneien. Zu vielen Orten wurden die Zufahrtsstraßen wegen Lawinengefahr gesperrt. Dadurch sitzen auch immer mehr Touristen fest. Wie schon am Mittwoch sind die beliebten Reiseziele Obertauern, Lech, Zürs und Hallstatt weiterhin nicht erreichbar. Aktuelle Informationen zum Winterwetter finden Sie im Netz unter www.schwäbische.de/schnee