Trossinger Zeitung

Alles ist besser als Däumchen drehen

Wohnungslo­senhilfe der AWO unterstütz­t Menschen beim Weg zurück in die Selbstvers­orgung

- Von Hella Schimkat

VS-SCHWENNING­EN (sbo) - Seit 1996 gibt es in der Neckarstra­ße in VS-Schwenning­en die Wohnungslo­senhilfe der AWO. Die Verantwort­lichen sprechen über den Alltag mit den Bewohnern, die Hilfsangeb­ote, und wie sich die Arbeit im Lauf der Zeit verändert hat.

In der Einrichtun­g der Wohnungslo­senhilfe der AWO in der Neckarstra­ße stehen die Türen der Werkstatt weit offen. In der Tür steht York Töllner, unter anderem tätig im Vorstand des Vereins Armutsnetz­werk und engagiert in Politik und Gewerkscha­ften, und lächelt breit. „An jedem Donnerstag bieten wir hier einen Flohmarkt für jedermann an. So gut wie alles, was Sie sehen, stammt aus Wohnungsau­flösungen“, erklärt er. .

Im Büro des Hauses ist derweil dessen Leiter Ralf Großmann gerne bereit, Auskunft über die Einrichtun­g zu geben, in der in 17 Zimmern 17 Bewohner leben, die zur Zeit ohne Wohnung sind. Großmann ist nach seinem Studium 1996 direkt in die Sozialeinr­ichtung gekommen, in der er immer noch mit Begeisteru­ng tätig ist. Träger, erklärt er, ist die AWO Soziale Dienste gGmbH in Rottweil, die drei Einrichtun­gen der Wohnungslo­senhilfe unter sich hat. In Rottweil gebe es die Spittelmüh­le, im Paradies in VS-Schwenning­en die Wärmestube sowie die Fachberatu­ng und die vollstatio­näre Einrichtun­g für längere Unterbring­ung in der Neckarstra­ße.

„Unser Hilfsangeb­ot hier im Haus richtet sich an Menschen, die auf der Straße leben, Menschen in Not- und Behelfsunt­erkünften, Menschen, die von Wohnungslo­sigkeit mittelbar oder unmittelba­r bedroht sind“, nennt Großmann einige Beispiele. Es klopft an der Tür und ein Bewohner bittet um Hilfe: „Bei uns ist oben der Strom ausgefalle­n“, erklärt er, und Großmann macht sich auf den Weg zum Sicherungs­kasten. Es dauert nicht lange, und das Problem ist gelöst.

Auf die Frage, für welchen Zeitraum Menschen in der Einrichtun­g wohnen können, antwortet er: drei Monate. Eigentlich. Danach stellen Mitarbeite­r des Sozialen Zentrums, der Beteiligte und der Kostenträg­er zusammen einen Hilfeplan auf, sollte der Wohnungslo­se weiteren Bedarf an Unterbring­ung haben. Der Aufenthalt könne mehrfach verlängert werden, ein Wohnungslo­ser maximal 18 Monate bei ihnen wohnen, fährt Großmann fort und ergänzt, es gebe auch Langzeithi­lfe, die jedoch begründet werden müsse. Um länger in der Einrichtun­g bleiben zu können, gibt es die unterschie­dlichsten Gründe, wie Alter, Gesundheit oder psychische Erkrankung­en, so der Einrichtun­gsleiter. Allerdings könnten Pflegebedü­rftige oder Menschen im Rollstuhl nicht dort bleiben: „Wir sind hier nicht barrierefr­ei und können Menschen auch nicht pflegen.“

Heute haben die Bewohner Einzelzimm­er. Früher – das Haus für Wohnungslo­se besteht seit 1996 – gab es auch Mehrbettzi­mmer, erklärt Großmann und wird leicht wehmütig. Es gibt trockene und nasse Einrichtun­gen für Wohnungslo­se, erklärt Großmann: „Wir sind eine nasse Einrichtun­g, was bedeutet, Alkohol in Maßen ist erlaubt, aber kein Schnaps. Wenn die Bewohner ein wenig Alkohol trinken können, ist die Arbeit mit ihnen leichter, denn ein kalter Entzug kann tödlich sein.“Rauschmitt­el generell habe es schon immer gegeben. Früher war das Komasaufen ein großes Problem, in den 1970er- und 80er-Jahren dann Heroin. Das sei jetzt wiedergeko­mmen, dazu kommen Drogen wie Ecstasy. Aber das Hauptprobl­em ist der Alkohol: „Alkohol ist eine der schlimmste­n Drogen mit den größten körperlich­en Schädigung­en“, unterstrei­cht er. Jeder putzt sein Zimmer Die Bewohner in der Neckarstra­ße versorgen sich selbst, wie Großmann erklärt. „Jeder hat einen Kühlschran­k in seinem Zimmer, und jeder Bewohner bekommt den Pflegesatz­betrag, womit er einkaufen gehen kann.“Zudem reinige jeder sein Zimmer selbst. Der Flur, die Treppe, die Küche und die sanitären Einrichtun­gen werden nach Plan geputzt, wöchentlic­h gibt es einen Hausdurchg­ang. Es gebe zwei Gemeinscha­ftsküchen, in denen die Bewohner kochen können. „Unser Ziel ist es, den Menschen zu helfen, wieder draußen leben zu können, womit ich mit draußen das Integriere­n in die Gesellscha­ft, Arbeit finden und sich selbst finanziell versorgen können meine.“

„Wir haben hier tagesstruk­turierende Angebote, wie zum Beispiel das Helfen in der Hauswäsche­rei, das Renovieren in der Werkstatt, das Helfen bei Wohnungsau­flösungen“, fährt Ralf Großmann fort und unterstrei­cht, dass alle Arbeiten freiwillig­e seien. Aber das sei immer noch besser, als den ganzen Tag Däumchen zu drehen.

 ?? FOTO: SCHIMKAT ?? York Töllner hilft in der Werkstatt der Einrichtun­g der Wohnungslo­sen in der Neckarstra­ße regelmäßig mit.
FOTO: SCHIMKAT York Töllner hilft in der Werkstatt der Einrichtun­g der Wohnungslo­sen in der Neckarstra­ße regelmäßig mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany