„Die Mülltrennung steht bei mir ganz weit oben“
Im ersten Teil der neuen Müllserie erklärt Sebastian Janken, Mitarbeiter von Veolia in Bad Waldsee, warum er seine Arbeit so schätzt
BAD WALDSEE - Sie kommen oft schon dann, wenn andere noch selig schlummern. Wenn sie da waren, sind die Tonnen leer, und der stinkende Abfall ist außer Riechweite. Doch wer sind diese Menschen, die das entsorgen, was keiner mehr im Haus haben will? Sebastian Janken ist einer von ihnen, ein Müllmann, wie es landläufig heißt. Im Gespräch mit Claudia Kling erklärt der 33-Jährige, der bei Veolia in Bad Waldsee arbeitet, was seinen Beruf ausmacht. Herr Janken, wenn ich Sie „Müllmann“nenne – klingt das für Sie abwertend? In der Fachsprache ist „Müllmann“der falsche Begriff. Richtig wäre „Müllwerker“. Aber wenn mich jemand als Müllmann bezeichnet, ist das völlig in Ordnung für mich, das hat nichts Abwertendes. Warum sind Sie Müllwerker geworden? Ich bin Quereinsteiger. Ich habe vor einigen Jahren eine Ausbildung zum Gärtner gemacht. Aber die ganze Zeit auf den Knien zu arbeiten, das war nichts für mich. Das war viel anstrengender, als Mülltonnen zu leeren. Natürlich fordert mich auch meine jetzige Arbeit körperlich, aber ich laufe lieber aufrecht, als auf dem Boden herumzukriechen. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Ich stehe morgens um 4.40 Uhr auf, trinke einen Kaffee und fahre dann zu meiner Arbeitsstätte nach Ravensburg. Um 5.45 Uhr ist Abfahrt, dann beginnt unsere Tour. Wir sammeln an jedem Tag in einer anderen Siedlung der Stadt den Müll ein, auch in der Innenstadt und im Umland von Ravensburg. Ich mache immer eine Woche Restmüll und dann eine Woche Biomüll. Spätestens um halb drei ist Schluss, dann ist mein Arbeitstag zu Ende. Die Mülltonnen, die Sie bewegen, wiegen ja durchaus etwas. Wie halten Sie sich fit? Durch Radfahren, Nordic Walking – und natürlich durch die Arbeit. Da mache ich schon einige Kilometer. Und meine Arme trainiere ich mit den Windelsäcken. Die sind ziemlich schwer. Wie wichtig ist eine gute Kondition für einen Müllwerker? Das ist sicherlich eine gute Voraussetzung. Am Anfang hatte ich richtig Muskelkater in den Beinen. Für den Rücken beispielsweise ist die richtige Haltung und die richtige Technik beim Leeren der Tonnen wichtig. Und man muss, um die Knie zu schonen, wissen, wo die Tonnen stehen. Dann kann man jeweils entscheiden, ob es sich rentiert, aufs Trittbrett zu steigen, oder ob es besser ist, ein paar Meter zu laufen. Sie sind bei Ihrer Arbeit die meiste Zeit draußen. Wie oft sind Sie krank oder erkältet? So gut wie gar nicht. Natürlich habe ich auch mal einen Schnupfen, vor allem im Winter. Aber das passiert jedem mal. Wie halten Sie sich warm bei der Arbeit? Auf dem Wagen hinten- drauf muss es doch ziemlich zugig sein? Ich habe drei Schichten an: ein TShirt, einen Pullover und eine Jacke. Wenn ich mehr anziehen würde, bekäme ich einen Hitzschlag. Für mich braucht es weder wollene Unterhemden noch eine lange Unterhose, und bei fünf Grad plus ziehe ich schon die Jacke aus. Gegen die Zugluft auf dem Wagen bin ich resistent, die lasse ich gar nicht an mich ran. Im Stadtgebiet von Ravensburg ist das natürlich auch kein großes Problem, weil die Tonnen in kurzen Abständen stehen. Das betrifft eher die Kollegen, die mehr im Umland unterwegs sind. Was hilft am besten gegen kalte Füße und kalte Hände? Selbst gestrickte Socken und Handschuhe? Meine Wollsocken bleiben im Schrank, die sind mir viel zu warm. Wenn man den ganzen Tag läuft, werden die Füße auch in ganz normalen Sportsocken warm. Aber ganz abgesehen davon: Wir tragen Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen und Stahlsohlen, und wir haben Schutzhandschuhe. Mit dieser Ausrüstung friert es einen nicht. Im Sommer ist es sogar ziemlich heiß darin. Wenn es heiß wird, fängt der Müll an zu stinken. Macht Ihnen das etwas aus? Das ist kein Problem für mich, daran hatte ich mich schnell gewöhnt. Biomüll ist ein bisschen heftiger, aber ich gehe ja nicht direkt mit meiner Nase an die Schüttung hin, um zu riechen, wie der Müll stinkt. Wir haben jetzt über Kälte, Hitze und Gestank gesprochen. Was ist für Sie das Schöne an Ihrem Beruf? Drei Dinge: Erstens habe mittags Feierabend, zweitens bin ich immer draußen in der Natur, und drittens helfen sich die Kollegen gegenseitig. Teamarbeit ist ganz wichtig. Wie reagieren neue Bekannte, wenn Sie sagen, dass Sie Müllmann sind? Ich habe noch nie einen blöden Spruch gehört. In meiner Familie und in meinem Bekanntenkreis wissen alle, was ich mache. Da reagiert keiner komisch. Für Autofahrer sind große Müllautos so etwas Ähnliches wie der natürliche Feind in der Innenstadt. Wie gehen Sie mit ungeduldigen Zeitgenossen um? Ich hatte noch nie eine unangenehme Situation mit einem Autofahrer. Die halten immer schön die Füße still, weil sie genau wissen, dass wir auch vor ihren Haustüren die Tonnen leeren. Außerdem bleiben wir zu Stoßzeiten aus dem Stadtgebiet draußen, um Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern zu vermeiden. Gibt es etwas – außer Rücksichtnahme –, was Ihnen die Arbeit erleichtern würde? Ja. Wenn die Bürger ihre Tonnen richtig hinstellen würden. Derzeit stehen circa 90 Prozent der Tonnen falsch herum, das heißt mit dem Griff zur Hausseite hin. Sie müssten mit dem Griff zur Straße hin stehen, dann könnte ich mir den Weg um die Tonne herum sparen. Woran denken Sie, wenn Sie stundenlang Mülltonnen leeren? Bei der Arbeit denke ich nur an die Arbeit. Da bin ich sehr konzentriert. Ich mache mir beispielsweise Gedanken darüber, in welcher Reihenfolge ich die Tonnen leeren soll, wenn sechs oder sieben vor einem Haus stehen. Manchmal ist es geschickter, zwei gleichzeitig anzuhängen, manchmal ist es besser, sie einzeln zu bewegen. Das ist im Prinzip einfacher. Aber jede Tonne braucht circa vier, fünf Sekunden, bis sie geleert ist. Das summiert sich natürlich. Und worauf müssen Sie am meisten achten bei Ihrer Arbeit? Auf Radfahrer und Fußgänger, die sich zwischen den parkenden Autos bewegen. Und ich darf natürlich keine Mülltonnen übersehen. Die Deutschen gelten als Mülltrennmeister. Können Sie das bestätigen? Ja, das stimmt im Großen und Ganzen schon. Viele werfen aber auch Verpackungsmaterial wie Plastik, Styropor und Glas in den Hausmüll. Das gehört da aber nicht hin. Auch originalverpacktes Spielzeug, Kleidung, Pelze und kleine Teppiche habe ich schon im Hausmüll gesehen. Hat sich durch den boomenden Onlinehandel auch der Müll verändert? Das macht sich weniger beim Restmüll als beim Altpapier bemerkbar. Die Menge an Kartonagen hat gewaltig zugenommen. Was wird denn aus den Sachen, die unbenutzt weggeworfen wurden? Nichts. Die gehen genauso in den Hausmüll wie der Rest der Tonne. Da wird nichts mehr sortiert. Sobald die Sachen in der Tonne drin sind, gehören sie dem Landkreis Ravensburg und werden in der Müllverbrennungsanlage Kempten oder in Weißenhorn entsorgt. Und was passiert mit dem Biomüll? Der geht in Vorarlberg in die Bioabfallvergärungsanlage. Ein Problem dabei sind allerdings die kompostierbaren Maisstärkebeutel, die viele benutzen, obwohl sie nicht erlaubt sind. Deshalb muss der Biomüll maschinell vorsortiert werden, um diese Fremdstoffe rauszukriegen. In die Biotonne gehören – wenn – nur Papierbeutel. Hat Ihre Arbeit als Müllwerker, die Sie seit einem Jahr machen, Ihr Einkaufsverhalten verändert? Nein. Aber die Mülltrennung steht bei mir ganz weit oben. Ich würde niemals ein Glas in den Gelben Sack oder in den Hausmüll werfen. Das wird alles sauber sortiert. Deshalb fällt bei mir auch nicht viel Restmüll an. Wenn jeder es so machen würde wie ich, dann bräuchte es keine Unverpackt-Läden. Aber wir können ja den Menschen nicht vorschreiben, wie sie mit ihrem Müll umgehen sollen. Und können Sie sich vorstellen, auch noch in 30 Jahren als Müllwerker zu arbeiten? Natürlich, auf jeden Fall. Ich habe Spaß an meinem Beruf.