Könige der Lüfte
Auf der ganzen Welt ist kein Unternehmen erfolgreicher mit der Produktion von Fahrzeugkränen als das Liebherr-Werk in Ehingen
EHINGEN - In einer Eigenschaft ähneln Mario Trunzer und Christoph Kleiner dem Mann, der das Unternehmen, das die beiden Manager seit einigen Jahren gemeinsam führen, vor genau 50 Jahren gründete: in der Bodenständigkeit, der Zurückhaltung. Trunzer und Kleiner führen das Liebherr-Werk in Ehingen (Alb-Donau-Kreis), den Unternehmensteil des bekannten Mischkonzerns, der Kräne auf Rädern und Raupenketten baut. Und der vor allen Dingen Weltmarktführer ist. „Die Sache ist einfach“, sagt Trunzer, „wir entwickeln das, was der Markt braucht und sind immer nah beim Kunden.“Dann funktioniere alles, kein Problem.
Weggefährten, die den 1993 gestorbenen Hans Liebherr noch kannten, erzählen sich solches auch von dem aus Kirchdorf an der Iller stammenden Firmengründer. Problem erkennen, Ideen haben, Lösungen finden. „Keine Spur von Selbst überschätzung, der Unternehmer blieb trotz seines gigantischen Erfolgs rigoros im Understatement“, sagt Martin Herrenknecht, Chef des gleichnamigen Tunnel baumaschinen herstellers, im „Handelsblatt“über den oberschwäbischen Unternehmer. 1949 erfindet Liebherr einen stationären Turmdrehkran, drei Jahre später folgen die ersten hydraulischen Bagger. Die Firmen, die Hans Liebherr in dieser Zeit gründet, sind der Kern des heutigen Liebherr-Konzerns, der 2017 mehr als 9,8 Milliarden Euro umsetzte. Und 1969 sucht der Unternehmer einen neuen Standort für Kräne, landet in Ehingen und baut dort das Werk, dessen Leitung Trunzer und Kleiner später übernehmen.
Das Werk in Ehingen ist schon von Weitem zu sehen: Hunderte Kräne recken ihre Ausleger in den Himmel. Immerhin kommen mehr als 50 Prozent der im Jahr gebauten Mobil- und Raupenkräne aus Liebherr-Produktion von dort: Die Schwaben stellen etwa 1800 Kräne her – weltweit verkauft werden etwa 3000. In Ehingen entstehen Mobilkräne mit Gummireifen – von zweiachsigen Kränen, die 30 Tonnen heben, bis zu Neunachsern, die das 40-Fache in die Höhe wuchten. Dazu kommen Kräne, die Lasten hochziehen und sich dabei auf Ketten fortbewegen. Der größte ist der LR 13000 – bislang viermal gebaut. Er kann 3000 Tonnen bewegen, das Gewicht von mehr als 450 ausgewachsenen afrikanischen Elefantenbullen.
Mit rund 1,9 Milliarden Euro hat die Ehinger Kransparte von Liebherr im Jahr 2018 mit weltweit rund 3500 Mitarbeitern einen neuen Rekordumsatz erwirtschaftet, davon entfielen mehr als 75 Prozent auf die Mobilkräne mit Gummireifen. Gewinnzahlen nennen Trunzer und Kleiner nicht, aber „die Ertragslage ist stabil“, wie Kleiner im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erklärt. Und klar ist auch: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, die Wirtschaft beruhigt sich“, sagt Trunzer. „Wenn man sich die großen Märkte anschaut, kann es nicht mehr viel höher gehen.“Hauptziel für die nächsten Jahre sei es, den Marktanteil zu halten – auch wenn der möglicherweise schrumpft.
Die Kunden, die die Liebherr-Kräne kaufen, kommen nur zu 40 Prozent aus der Bauindustrie. Auch Unternehmen aus der Chemieindustrie nutzen zur Montage ihrer Anlagen Kräne von Liebherr. Energiekonzerne bauen mit den Kolossen Windräder auf. Immer wichtiger wird für Liebherr der Markt für gebrauchte Kräne und die Wartung, weshalb das Unternehmen zurzeit Flächen sucht, um die Serviceangebote auszubauen. Und ein LiebherrKran braucht einen langen Service: „Insgesamt sind am Standort in Ehingen etwa 40 000 Kräne seit 1969 gebaut worden“, erzählt Kleiner, „90 Prozent davon leben noch immer“.
82 Prozent der gebauten Kräne verkauft Liebherr im Ausland; größte Rivalen sind der US-Konzern Manitowoc-Grove, die deutsche Tochter des US-Herstellers Terex, das japanische Unternehmen Tadano Faun – und mehr und mehr Firmen aus China. „Die greifen an, die wollen ihre Kräne nun auch außerhalb ihres Heimatmarktes verkaufen“, erklärt Trunzer. Doch genauso wie der Manager sich müht, die Erfolge nicht zu sehr zu betonen, so gelassen reagiert er auch auf neue Herausforderungen. Der Weltmarkt für Mobilkräne sei klein. „Über die Masse werden die Chinesen ihre Vorteile nicht ausspielen können“, erläutert Trunzer. Die Botschaft ist klar: Der Weltmarktführer aus Ehingen an der Donau wird sich behaupten. Handelspolitische Verwerfungen wie die Krise zwischen den USA und China oder der Brexit lassen Trunzer und Kleiner ebenfalls nicht nervös werden – schließlich müssen die Rivalen mit den veränderten Bedingungen in gleicher Weise umgehen.
Gelassen – und ohne große Töne, so führen Trunzer und Kleiner den Kranbauer. Nur einmal, als es um das Verhältnis zum Eigentümer, den Kindern und Enkeln von Hans Liebherr geht, spricht Mario Trunzer von sich aus über das Liebherr’sche Erfolgsgeheimnis. „Das Vertrauen ist ein zentrales Merkmal unseres Erfolgs“, sagt Trunzer über die Beziehung zwischen den Liebherrs und ihren angestellten Managern und die damit einhergehende Autonomie. „Würden wir diese Denzentralität aufgeben, würden wir verlieren.“Ein Satz, der in seiner Knappheit das zentrale Organisationsprinzip des Liebherr-Konzerns beschreibt. Er hätte von Gründer Hans Liebherr selbst stammen können.