Weichenstellung aus Karlsruhe im Dieselskandal
Bisher haben Dieselkäufer vor Gericht eher schlechte Chancen – Der Bundesgerichtshof schlägt nun wichtige Pflöcke ein
KARLSRUHE (dpa) - Im vierten Jahr des Dieselskandals sind die vielen Tausend Gerichtsentscheidungen kaum noch zu überblicken. Was fehlt, sind Grundsatzurteile. Die Autokonzerne sind sehr geschickt darin, Klägern das Aufgeben schmackhaft zu machen. Aber diesmal hat VW die Rechnung ohne den Bundesgerichtshof (BGH) gemacht: Die Karlsruher Richter meldeten sich am Freitag überraschend von sich aus zu Wort – und stärken Autokäufern damit den Rücken. (Az. VIII ZR 225/17)
Was genau ist passiert? Für den 27. Februar ist eigentlich eine Verhandlung in einem Dieselfall angesetzt. Das Urteil wird mit Spannung erwartet, denn es ist die erste Klage, die es in die höchste Instanz geschafft hat. Auf den letzten Metern mehren sich die Anzeichen, dass hinter den Kulissen an einem Vergleich gearbeitet wird. Und tatsächlich: Am Freitag muss der BGH den Termin absagen – der Autokäufer hat seine Revision zurückgezogen. Ganz ähnlich war es auch schon mit einer Verhandlung im Januar gelaufen. Aber diesmal nehmen die Richter das nicht kommentarlos hin. Sie veröffentlichen einen Hinweisbeschluss.
Was bedeutet das? Der Senat hält für alle einsehbar fest, was seine „vorläufige Einschätzung“ist. Ein solcher Beschluss ist noch kein Urteil. Es ist aber kaum vorstellbar, dass die Richter derart in die Offensive gehen, ohne sich ihrer Sache zu einhundert Prozent sicher zu sein. Weil der BGH in strittigen Rechtsfragen das letzte Wort hat, ist zu erwarten, dass sich alle anderen Zivilgerichte daran orientieren.
In welchen Punkten bezieht der BGH Stellung? Zum einen halten die Richter fest, dass ein Auto mit illegaler Abgastechnik einen Sachmangel aufweisen dürfte. Das haben zwar auch schon andere Gerichte so gesehen. Die Klarstellung aus Karlsruhe ist aber wichtig, weil ein festgestellter Sachmangel für Autokäufer die Grundvoraussetzung ist, um Ansprüche gegen den Händler durchzusetzen. Der Senat äußert sich außerdem dazu, wann der Verkäufer einen betroffenen Diesel austauschen muss. Darum ging es in dem Fall.
Was bedeutet der BGH-Beschluss für Dieselkläger? Die Richter meinen, dass der Modellwechsel keine Rolle spielt. Zumindest mache er den Austausch nicht unmöglich. Damit können sich Verkäufer vor Gericht – wie in solchen Streitfällen generell – nur noch darauf berufen, dass die Kosten für die Nachlieferung unverhältnismäßig seien. Für Kläger ist das wichtig, weil laut ADAC regelmäßig alle Autos derselben Baureihe mit der illegalen Abgastechnik ausgestattet sind, es also gar kein mangelfreies Auto gibt. Nach Einschätzung des Autofahrerclubs hilft der BGH mit seinen Feststellungen allen Klägern, deren Prozesse gegen den Händler noch laufen. Der Volkswagen-Konzern ist der Ansicht, dass Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten dieser Klagen noch nicht möglich sind.