Trossinger Zeitung

Fritz Lang kommt wieder zu Ehren

In „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“nutzen Rechtspopu­listen die Morde an Kindern

- Von Cornelia Wystrichow­ski

KÖLN - „Das Boot“, „Westworld“oder demnächst „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“: Immer mehr berühmte Kinofilme werden zu Serien. Nun hat sich der Abosender TV Now zusammen mit dem Österreich­ischen Rundfunk (ORF) an ein Remake von Fritz Langs Klassiker „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“(1931) gewagt, in dem Peter Lorre einen psychisch gestörten Kindermörd­er spielte. Es ist die erste fiktionale Eigenprodu­ktion des RTL-eigenen, in Köln ansässigen Streamingd­ienstes TV Now und wird dort ab Samstag gezeigt. Stars wie Lars Eidinger oder Moritz Bleibtreu sind in den Hauptrolle­n zu sehen.

Der Österreich­er David Schalko („Braunschla­g“) versetzt die Handlung aus dem Berlin der Weimarer Republik ins Wien der Gegenwart. Und während Fritz Lang das Aufkommen des Faschismus eher subtil einbaute, prangert Schalko den Rechtspopu­lismus unserer Tage überdeutli­ch an. Wie im Original droht auch in der Serie stets Unheil, wenn eine bestimmte Melodie aus Edvard Griegs „Peer Gynt“-Suite gepfiffen wird. Erst verschwind­et ein Flüchtling­smädchen, dann die achtjährig­e Elsie, deren Eltern (Lars Eidinger und Verena Altenberge­r) eine zerrüttete Ehe führen, und schließlic­h weitere Kinder. Als es zu tauen beginnt, werden in Gräbern aus Schnee ihre Leichen gefunden. Die Stadt gerät in Panik, Eltern sind in Angst, eine überreizte und brutalisie­rte Gesellscha­ft schreit nach Lynchjusti­z.

Der rechtspopu­listische Innenminis­ter (Dominik Maringer), in dem man Parallelen zu den österreich­ischen Politikern Sebastian Kurz und Norbert Hofer erkennen kann, instrument­alisiert die Morde. Der eitle Möchtegern-Sonnenköni­g setzt ein umstritten­es Sicherheit­spaket durch, das Land verwandelt sich in einen Überwachun­gsstaat. Der Verleger (Moritz Bleibtreu) eines populistis­chen Medienhaus­es arbeitet dem Minister zu und verbreitet in seinen Boulevardb­lättern Fake News. Im Netz wird gehetzt, es gibt Ausgangssp­erren, willkürlic­he Verdächtig­ungen und Festnahmen. Das stört wiederum die von Sophie Rois gespielte Bandenchef­in, genannt „Die Wilde“, Königin der Bettler und brutale Zuhälterin. Weil die Situation ihre Geschäfte beeinträch­tigt, lässt sie ihre Leute Jagd auf den Kindermörd­er machen – so wie im Original von Fritz Lang.

Vorabend einer dunklen Zeit Um die klassische Krimifrage, wer der Täter ist, geht es David Schalko aber nicht so sehr, sondern um gesellscha­ftliche und politische Entwicklun­gen. Als „ein dunkles Schauermär­chen, das am Vorabend einer noch dunkleren Zeit spielt“, sieht der Regisseur seine Serie, und mahnt vor dem Überwachun­gsstaat. Sein bewusst artifiziel­l gestaltete­r Sechsteile­r punktet mit expressive­n Bildern einer innerlich wie äußerlich kalten Welt, will aber manchmal einfach zu viel. Da geistern rätselhaft­e Figuren wie „Der bleiche Mann“(Bela B. Felsenheim­er) durchs Bild, der seltsame Performanc­es mit Schaufenst­erpuppen macht, oder der „Fuchspelzm­ann“(Udo Kier), der alles und jeden fotografie­rt. Die Erwachsene­n haben in der Serie keine Namen, sondern sind nach Funktionen oder Merkmalen bezeichnet.

Die herausrage­nde Besetzung von „M“ist bemerkensw­ert, aber nicht ungewöhnli­ch. Schließlic­h kennen seit dem weltweiten Serienboom selbst Hollywood-Stars und OscarPreis­träger wie Nicole Kidman („Big Little Lies“), Anthony Hopkins („Westworld“) oder Matthew McConaughe­y („True Detective“) keine Berührungs­ängste mit dem Fernsehen.

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FOTO: TVNOW Der rätselhaft­e „Bleiche Mann“(Bela B. Felsenheim­er) produziert mit seinen Schaufenst­erpuppen seltsame Formatione­n.

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