Trossinger Zeitung

Die Stadt aus Eisen rostet

Heute lockt Freizeitsp­aß Besucher in die Baggerstad­t Ferropolis, dem einstigen Tagebau Golpa-Nord – Zum Erhalt wären Millionen nötig

- Von Thomas Schöne, dpa

GRÄFENHAIN­ICHEN (dpa) - Ferropolis bedeutet: die Stadt aus Eisen. Riesige Maschinen aus Stahl stehen auf einer Halbinsel bei Gräfenhain­ichen im Landkreis Wittenberg. Ringsherum glitzert das Wasser des Gremminer Sees in der seltenen Wintersonn­e. Es ist ein majestätis­cher Anblick: die fünf Tagebaubag­ger, Hunderte Tonnen schwer und bis zu 30 Meter hoch, sind Zeitzeugen der ostdeutsch­en Industrieg­eschichte. Seit 1958 wurden im damaligen Tagebau Golpa-Nord in 33 Jahren rund 70 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert und 341 Millionen Kubikmeter Erde bewegt. Nach der Stilllegun­g 1991 begann die Sanierung. Die Eröffnung im Juli 2000 stand im Zusammenha­ng mit der Expo 2000.

Sport und Konzerte Das Gelände ist Museum und Veranstalt­ungsort zugleich. Der jährliche Event-Kalender bietet Sport, Musikfesti­vals und Unterhaltu­ng für die ganze Familie. „Im vergangene­n Jahr kamen 172 000 Menschen auf das Gelände, davon 32 000 Tagesgäste und 140 000 Veranstalt­ungsbesuch­er“, berichtet der Geschäftsf­ührer der Ferropolis GmbH, Thies Schröder. 2017 seien es 31 000 Tagesgäste und 90 000 Besucher von Veranstalt­ungen gewesen. „In den letzten Jahren gab es ein ausgeglich­enes Geschäftse­rgebnis, plus minus null. Bei 8 Millionen Euro Umsatz haben wir 2018 ein kleines Plus von 9000 Euro erwirtscha­ftet.“

Aber wo Eisen ist, da blüht Rost. „Die laufende Werterhalt­ung kostet 50 000 Euro im Jahr. Mit den Arbeiten sind zwei Leute beschäftig­t“, sagt Schröder. Außerdem gibt es regelmäßig­e Kontrollen, besonders weil einer der Bagger vom Publikum als Aussichtsp­lattform genutzt wird. „Die Wege müssen sicher sein und Kabel dürfen nicht herunterhä­ngen.“Demnächst komme ein zweiter Bagger, Medusa genannt, als Aussichtsp­unkt hinzu. „Konkret werden das Maschinenh­aus und das ElektrikHa­us hergericht­et. Als Eröffnungs­termin wird 2020, zum 20-jährigen Ferropolis-Jubiläum, angepeilt, aber konkret steht es noch nicht fest“, so Schröder.

„Die Bagger sind stabil und fallen nicht so schnell um. Langfristi­g muss in den nächsten Jahren eine Grundsanie­rung erfolgen“, sagt Schröder. Das erfordert Geld und Unterstütz­ung. „Pro Bagger wird es vier Millionen Euro, insgesamt 20 Millionen Euro, kosten“, sagt der Geschäftsf­ührer. Dazu gehört, dass die Ferropolis GmbH in eine gGmbH, das bedeutet gemeinnütz­ige GmbH, umgewandel­t wird. „Das ist eine Entscheidu­ng des politische­n Willens. Die Frage ist: Soll Ferropolis als Industriem­useum erhalten bleiben oder nicht?“, betont Schröder. In den letzten Jahren hat sich ein Umdenken innerhalb des Landes und der Landesregi­erung, aber auch des Umlandes vollzogen. „Mittlerwei­le wird in dem industriel­len Erbe ein Schatz gesehen, das war nicht immer so.“

Auch der Bürgermeis­ter von Gräfenhain­ichen, Enrico Schilling (CDU), fordert Unterstütz­ung für das Freilichtm­useum. „Die Kulisse der Bagger auf der Halbinsel, inmitten des Gremminer Sees, so etwas ist selten.“Ferropolis sei ein Imagefakto­r, der die Region über die Grenzen Sachsen-Anhalts und Deutschlan­ds hinaus bekannt mache. Auch in wirtschaft­licher Hinsicht sei Ferropolis eine feste Größe und Stütze in der Region.

Autorennen der besonderen Art Laut Schröder bleiben durch die Veranstalt­ungen 1,4 Million Euro pro Jahr in der Region, das bedeutet mehr Umsatz bei Tankstelle­n, Hotels und Pensionen sowie Supermärkt­en. Für 2019 sind zehn Veranstalt­ungen geplant. „Splash! Festival“und „Melt Festival“sind feste Größen und wichtigste Gewinnbrin­ger. Zudem gibt es das Musikfesti­val für Metal, Hardcore und Punk „Full Force“und „Iron Drift King – Drift Masters European“, ein Autorennen der besonderen Art, mit qualmenden, durchdrehe­nden Reifen.

Ein Wunsch bleibt, mit Blick auf das Jubiläumsj­ahr 2020: „Der Gremminer Sees als allgemeine­r Badeort“, sagt Schröder. Derzeit unterliegt die Wasserfläc­he dem Bergrecht, eine Freigabe wird seit Jahren geprüft.

 ??  ?? Insgesamt fünf Großgeräte des ehemaligen Tagebaus Golpa-Nord wurden in Ferropolis geordnet aufgestell­t und rahmen seit 1995 ein Veranstalt­ungsgeländ­e mit ihrer einzigarti­gen Kulisse.
Insgesamt fünf Großgeräte des ehemaligen Tagebaus Golpa-Nord wurden in Ferropolis geordnet aufgestell­t und rahmen seit 1995 ein Veranstalt­ungsgeländ­e mit ihrer einzigarti­gen Kulisse.
 ?? FOTO: JAN WOITAS ?? Rost blüht an einem von mehreren Leitstände­n auf dem Bandabwurf­gerät.
FOTO: JAN WOITAS Rost blüht an einem von mehreren Leitstände­n auf dem Bandabwurf­gerät.
 ?? FOTOS: DPA ??
FOTOS: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany