CDU wird Vertagung beantragen
Klinikdiskussion: Positionen geschärft
SPAICHINGEN/KREIS TUTTLINGEN - Die Fraktionen des Kreistags haben Wochen mit intensiven Diskussionen zur Zukunft der Klinik in Spaichingen und damit auch Tuttlingen hinter sich. Bis auf die SPD hat sich dabei ein Meinungsbild herauskristallisiert: FDP, Freie Wähler und Grüne werden mehrheitlich die Linie des Kreises und der Klinikgesellschaft mittragen, die CDU-Fraktion wird eine Vertagung des Beschlusses beantragen, um Zeit für die Auseinandersetzung mit anderen Konzepten zu haben. Die meisten Fraktionen begrüßen die in öffentlichen und internen Debatten gelebte Demokratie.
Fraktionsübergreifend äußern die Vorsitzenden, dass für einen früher diskutierten zentralen neuen Standort in der Mitte des Landkreises der Zug Jahrzehnte abgefahren sei. Zu viel sei schon, gerade erst jetzt in Tuttlingen, investiert worden.
Es gehe bei der Untersuchung der Möglichkeiten und Machbarkeiten nicht nur um die Zukunft der Inneren Medizin und der Geriatrie, sondern auch um die Rolle der Diabetologie, Podologie, einer möglichen Kurzzeitpflege oder einer Portalpraxis, so CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Beck. Das geplante Gutachten müsse zwei Prioritäten haben: Die langfristige Sicherung des Klinikums Landkreis Tuttlingen generell. Und: „Wir dürfen bei der ganzen Diskussion um Spaichingen nicht vergessen: Die Existenz eines Krankenhauses in der Größe Tuttlingens ist leider auch nicht mehr selbstverständlich.“Die zweite Priorität des Gutachtens sei: „Für Spaichingen und den nördlichen Landkreis muss es ein medizinisches Angebot geben, das den Menschen Sicherheit gibt. Mit einer Alibi-Einrichtung ist es hier nicht getan.“
Zum Thema anstehende Kommunalwahl und die Wirkung der Diskussion auf den Wahlkampf sagt Beck: Je mehr er sich mit dem Thema beschäftige und je mehr Fakten er höre, desto mehr Fragen würfen sich auf. Es sei kein Thema, das mit einfachen Ja-Nein-Antworten bearbeitet werden könne, auch zu befürchten sei, dass es von jenen entdeckt werde, „die gerne einfache Antworten auf schwierige Fragen geben.“
Zeit für eine Verschiebung der Entscheidung sieht der Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende Clemens Maier nicht. Ende des Jahres werde Dr. Sauer in Spaichingen aufhören, bis dahin müssten die Strukturen in Tuttlingen geschaffen sein. Sonst „müssen wir Patienten und Mitarbeiter nach Hause schicken“, wenn kein Chefarzt da sei.
Für die Freien Wähler als Ganzes – bei Freiheit der jeweils anderen Abstimmung – gelte daher: „Wir tragen die Linie des Landrats und der Verwaltung mit.“Heißt, die Verlegung der inneren Medizin so schnell wie möglich, um das Personal nicht zu verunsichern. Auch die Altersmedizin müsse an einem Standort konzentriert werden, weil sie mit der Inneren vor allem personell (Wochenende, nachts) verwoben sei. Diese Dienste von Tuttlingen zu betreuen sei schwierig, weil es nicht genügend Mitarbeiter gäbe, im übrigen sei schon die Verlagerung der Geriatrie vor Jahren nach Spaichingen auf Widerstand der Ärzte gestoßen. Das Gutachten müsse aber, so Maier, untersuchen, was in Spaichingen verbleiben oder angesiedelt werden könne: Diabetologie, die verbleibenden Abteilungen und Ambulantes.
Befürchtungen, dass die Entscheidungen die Kommunalwahl beeinflusse, habe er nicht, auch wenn die Überlegungen natürlich eine Rolle spielten. „Ich glaube, man kann das vermitteln. Wollen kann man viel, aber man muss sehen, was möglich ist und was leere Versprechungen.“Einer Vertagung werde die Fraktion nicht zustimmen, so Maier.
Das Meinungsbild der Grünen Kreistagsfraktion „ist ziemlich klar und ziemlich einheitlich,“sagt Fraktionsvorsitzender Hans-Martin Schwarz. Auch die Grünen stimmen der Initiative des Landrats und der Klinikleitung zu und wollen keine Verschiebung. Für die Grünen zeigen sich zwei inhaltliche Schwerpunkte: Beibehaltung der kommunalen Trägerschaft und die Orientierung an dem, was der Betriebsrat sagt, denn dieser stehe voll hinter den Plänen, die Innere und die Akutgeriatrie nach Tuttlingen zu ziehen.
Es habe keine von langer Hand geplante „Verschwörung“gegeben. Landrat Bär habe angesichts der anstehenden Kommunalwahl im Gegenteil „mutig“gehandelt“, das Thema anzugehen, statt abzuwarten, bis man wie Rottweil „überrollt“werde. Er glaube, dass die Personalgewinnung in Tuttlingen einfacher sei. Untersucht werden solle aber, was in Spaichingen verbleiben könne inklusive des Spektrums Pflege, geriatrische Reha. Zum Thema Stärkung der Notfallversorgung in Spaichingen sagt Schwarz: „Man kann über alles reden, das könnte man im Gutachten mit beauftragen.“Grundsätzlich wünsche er sich im Diskurs, sich wechselseitig guten Willen zu unterstellen.
„Unsere Fraktion hat sich ein Meinungsbild gemacht, das durchaus unterschiedlich ist“, schreibt der FDP-Fraktionsvorsitzende Paul Haug. Es gebe keinen Fraktionszwang. Für ihn sei die Garantie einer vollumfänglichen medizinischen Versorgung im Landkreis das Wichtigste. Das sieht er in der Verlagerung der beiden großen stationären Abteilungen nach Tuttlingen und der Untersuchung dessen, was in Spaichingen angeboten werden kann, also den Vorschlägen des Bärs, erfüllt.