Mehrere falsche Polizisten gefasst
Ermittler geben Tipps, wie man sich vor den Betrügern und ihren Tricks schützen kann
STUTTGART (dpa) - Die Polizei warnt seit Jahren vor falschen Polizisten. Doch die Zahl der Fälle, bei denen Gauner mit Lügengeschichten am Telefon Senioren um ihr Erspartes bringen, wird nicht kleiner. Am Donnerstag wurden in Stuttgart und nahe Köln drei Männer festgenommen, die auf diesem Weg einen hohen fünfstelligen Betrag erbeutet haben sollen. Ebenfalls in Stuttgart ging den Beamten eine Frau ins Netz, die zwei Seniorinnen um ihr Erspartes gebracht haben soll.
GÖTTINGEN (dpa) - Mit einer neuen Präventionskampagne will das Landeskriminalamt Niedersachsen vor allem ältere Menschen vor falschen Polizisten warnen. Demnach brachten Kriminelle, die sich am Telefon als Polizeibeamte ausgeben, alte Menschen im vergangenen Jahr allein in Niedersachsen um Erspartes in Höhe von 4,7 Millionen Euro. Am Donnerstag stellte das LKA die neue Kampagne vor – und wie zur Bestätigung der Notwendigkeit berichtete die Polizei in Baden-Württembeg von zwei aktuellen Fällen. In Stuttgart und nahe Köln waren drei Männer festgenommen worden, die als falsche Polizisten einen Goldbarren und Goldmünzen im Wert von mehreren zehntausend Euro erbeutet haben sollen. Einen weiteren Fall gaben Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnertagabend bekannt: Eine Frau, die sich als Polizistin ausgegeben hatte, soll in Stuttgart zwei Seniorinnen um ihr Erspartes gebracht haben und einen sechsstelligen Betrag erbeutet haben. Die 31-Jährige war bereits Ende Februar im Landkreis Würzburg auf frischer Tat gestellt worden und ist seitdem in Untersuchungshaft. Wie man sich schützen kann – Anworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.
Wo setzt die neue Kampagne des Landeskriminalamts Niedersachsen an? Genau dort, wo der Betrug stattfindet: am Telefon. Das LKA hat eine Pappkarte entworfen, die direkt neben dem Telefon aufgestellt werden kann und über Präventionsteams der Polizei und Arztpraxen verteilt werden soll. LKA-Präsident Friedo de Vries sagte am Donnerstag, so werde immer daran erinnert, dass die Polizei nicht von der Nummer 110 aus anrufe. „Und sie verlangt am Telefon weder Bargeld noch Schmuck.“
Aber kann man die betrügerischen Telefonnummern nicht einfach sperren, um den Kriminellen Steine in den Weg zu legen? Aktuell ist es noch nicht möglich, die Anrufe, die nach LKA-Angaben in der Regel aus Call-Centern in der Türkei kommen, zu blockieren. Despsychischen halb setzt die Polizei verstärkt auf Prävention.
Warum haben die Täter trotz aller Warnungen weiterhin Erfolg? „Die falschen Polizisten üben am Telefon massiven psychischen Druck aus“, sagt der Göttinger Angstforscher Prof. Borwin Bandelow, der als psychiatrischer Gerichtsgutachter mit der Materie vertraut ist. „Sie sagen, man solle niemanden anrufen, keine Verwandten, nicht die Polizei und nicht die Bank. Denn überall gebe es Maulwürfe.“Dabei werde durch geschickte Gesprächsführung eine Atmosphäre erzeugt, in der die Opfer am Ende nur noch dem Anrufer vertrauten.
Wie gehen die Anrufer vor? „Sie manipulieren ihre Opfer“, sagt eine BKA-Sprecherin. Sie erzählten überzeugende Geschichten über drohende Straftaten, sodass sie Geld und Wertgegenstände in Sicherheit bringen müssten. „Durch wiederkehrende Anrufe über einen längeren Zeitraum erhöhen die Täter den Druck, damit die Opfer keinen klaren Gedanken mehr fassen können“, sagt die Sprecherin. Ziel der Betrüger sei es, dass Bargeld und Wertgegenstände an der Wohnungstür einem vermeintlichen Polizisten übergeben oder an einem vereinbarten Ort abgelegt werden.
Warum werden vor allem Senioren zu Opfern der falschen Polizisten ? „Die Kriminellen nutzen bewusst die Einsamkeit, die Hilflosigkeit und die Gutgläubigkeit älterer Menschen aus“, sagt die BKA-Sprecherin. Nach Erkenntnissen der Ermittler wählen die Täter ihre möglichen Opfer in Telefonverzeichnissen zumeist anhand des Vornamens aus. Altmodisch klingende Namen deuten dabei auf ältere Personen hin.
Welche Menschen sind besonders gefährdet ? „In erster Linie sind dies Menschen, bei denen die kognitiven Fähigkeiten aufgrund des Alters bereits nachgelassen haben“, sagt Sebastian Fiedler, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Wer zum Opfer wird, muss aber nicht zwangsläufig dement sein“, meint Psychiater Bandelow. Gefährdet seien auch intelligente Menschen, wenn sie alleinstehend seien, wenig soziale Kontakte und keine Vertrauenspersonen hätten, mit denen sie über die Anrufe sprechen können.
Wo sitzen die Täter ? Nach Angaben des BKA kommen die Anrufe zumeist aus Call-Centern in der Türkei. Dort sitzen nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Hannover auch die Hintermänner. Es handele sich teilweise um Rockergruppen oder Clans, die vorher im Drogen- oder Rotlichtgeschäft tätig waren, sagt BDK-Chef Fiedler. „Die haben gelernt, dass die PolizistenMasche lukrativ ist.“Die mittlere Ebene der hierarchisch strukturierten Banden bilden sogenannte Logistiker, die die Betrügereien vor Ort organisieren. Zum Fußvolk gehören die Abholer, die ausgeschickt werden, um die Beute einzusammeln.
Wie oft wurden Täter gefasst und verurteilt? Zahlen dazu hat das BKA nicht. Bandenmitglieder aber werden immer wieder gefasst. In Göttingen wurde ein Abholer zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte bei einer alten Dame dreimal Geld entgegengenommen. Die Frau übergab ihm erst 30 000 Euro in bar, dann 60 000 Euro aus dem Verkauf von Immobilienfonds und schließlich 200 000 Euro aus einem Grundstücksverkauf. In Düsseldorf wurden zwei Männer verurteilt, die eine 80-Jährige um ihre Ersparnisse in Höhe von 178 000 Euro gebracht hatten. Im Oktober wanderte in Darmstadt ein 35-Jähriger für zwei Jahre und elf Monate hinter Gitter. Er hatte eine ältere Frau um Goldbarren und Münzen im Wert von 152 000 Euro betrogen. Die Zahl der Delikte wird trotzdem nicht geringer. „Denn es springen immer neue Betrüger auf die Masche auf“, sagt Fiedler.
Was können Angehörige tun? Angehörige sollten ältere Verwandte im Blick behalten und finanzielle Auffälligkeiten direkt ansprechen, rät das BKA. Sie sollten dafür sorgen, dass die Senioren keine größeren Bargeldbeträge im Haus haben.