„Es muss ja nicht jede Woche ein neues Billig-T-Shirt sein“
RAVENSBURG - Die Konsumenten in Deutschland können beim Aufbau einer eigenen Textilindustrie in Afrika mithelfen – indem sie bewusst und fair einkaufen. Das sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Gespräch mit Daniel Hadrys.
Herr Müller, wie wirken sich Altkleiderexporte aus Deutschland auf die afrikanische Textilindustrie aus? Altkleiderexporte sind eine wichtige Hilfe für die arme Bevölkerung in Afrika, die oft von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben muss. Die Kleidung ist vielerorts beliebt, denn sie ist günstig und modern. Allerdings dürfen diese Altkleiderexporte nicht den Aufbau einer eigenen, wettbewerbsfähigen afrikanischen Textilwirtschaft behingelingt, dern. In Ghana haben in den 1960er-Jahren über 30 000 Menschen in der Textilindustrie gearbeitet. Das war damals einer der stärksten Wirtschaftszweige. Heute sind es gerade einmal 6000 Menschen. Um ihre lokale Textilwirtschaft wiederzubeleben, fördern wir in Ghana oder Tunesien ganz gezielt moderne Ausbildungsplätze. So wollen wir fairer Kleidung „made in Afrika“zum Durchbruch verhelfen. Dies machen wir in enger Zusammenarbeit mit deutschen mittelständischen Textilunternehmen und schaffen so Win-winSituationen.
Wie kann diese Zusammenarbeit aussehen? Entscheidend ist, dass der Aufbau einer afrikanischen Textilindustrie die wirklich nachhaltig ist. Die Produktion darf nicht einfach aus Asien in afrikanische Länder verlagert werden, um internationale Standards weiter zu unterlaufen. Viele Unternehmen externalisieren die Probleme einfach: Sie verlagern die Produktion außerhalb der geregelten Zone des europäischen Binnenmarktes, nutzen Regelungslücken und produzieren nach Standards, die bei uns aus gutem Grund schon lange nicht mehr erlaubt sind. Da geht es nur um Maximierung auf Kosten von Mensch und Natur. Deswegen können auch die Menschen in Deutschland beim Aufbau einer afrikanischen Textilindustrie mithelfen, indem sie bewusst faire und nachhaltig hergestellte Kleidung kaufen. Es muss ja nicht jede Woche ein neues BilligT-Shirt sein. So geben wir der Produktion in Afrika eine Chance und entlasten gleichzeitig die Umwelt. Sind die Textilexporte aus China eine größere Bedrohung für eine eigene Textilindustrie in afrikanischen Ländern als die Altkleiderausfuhren aus Deutschland? Tatsächlich übersteigen die chinesischen Ausfuhren die deutschen Altkleiderexporte um das Zehnfache. Aber pauschale Kritik an China hilft hier nicht weiter. Die Frage ist vielmehr: Wie können die afrikanischen Länder eine wettbewerbsfähige Textilindustrie aufbauen und selber zu Exportländern werden? Wie können wir die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken weltweit verbessern, damit die Menschen von ihrer harten Arbeit leben können und kein Unternehmen andere Wettbewerber mit Sozialdumping aus dem Markt drängen kann? Genau daran arbeiten wir in unserem Textilbündnis.